"Man wird nicht übers Ohr gehauen"
Katharina von Tschurtschenthaler hat Journalistik in München und Barcelona studiert und anschließend eine Ausbildung zur Redakteurin beim Bayerischen Rundfunk absolviert. Danach war sie vier Jahre lang für die ARD in Brüssel tätig. Seit August 2014 lebt Sie in Tokio, wo sie seitdem intensiv Japanisch lernt und für ein Onlinemagazin als freie Journalistin schreibt.
Meine Stadt ist: Tokio
Hier trinke ich am liebsten einen Aperitif: Gen Yamamoto - Azabu Juban, Minato-ku. Zum Aperitif, aber lieber für den ganzen Abend. Der Laden ist winzig, acht Plätze, arrangiert an einer Bar aus japanischer Eiche. (Noch) ein Geheimtipp, die Bar zu finden ist eine Herausforderung. Gen Yamamoto ist ein Künstler und designed seine Cocktails passend zur Saison, für die Zutaten reist er durchs ganze Land. Und zu jedem Sake, Whisky, Shochu kann er eine Geschichte erzählen.
Hier gibt’s den besten Kaffee: Omotesando Koffee House, Shibuya-ku. Der beste Kaffee im hippsten Teehaus Tokyos. Hier einen Kaffee zu trinken (zu dem der Besitzer Eiichi Kunitomo hausgemachte Okashi - das sind japanische Süßigkeiten - serviert) ist wie bei einer Teezeremonie dabeizusein. Nichts für Gestresste, denn für die Zubereitung jedes Kaffees nimmt sich Kunitomo viel Zeit und Liebe. Als Belohnung gibt es den besten Kaffee der Stadt, den man im winzigen japanischen Garten schlürfen kann. Und weil ich finde, dass diese Stadt nie genug guten Kaffee bekommen kann, hab ich einen Artikel drüber geschrieben.
Hier kann man gut feiern: The Womb, Shibuya-ku. „Wow“ war mein erster Gedanke, als ich diesen Club das erste Mal betrat. Eine riesige Halle, an deren Decke eine noch riesigere Discokugel hängt. „The Chemical Brothers“ waren schon hier, Sven Väth auch, es kommen trendige Japaner und feierwütige Touristen, aufgelegt wird Elektro und Minimal, getrunken wird - aus welchem Grund auch immer - Jägermeister.
Der Ort, wo ich mich am besten entspannen kann: Im 17. Stock. In unserer Wohnung, in meinem Sessel, beim Schreiben. Einziger Haken: Die atemberaubende Sicht lässt die Gedanken gerne abschweifen.
Die totale Touristenfalle: Gibt es nicht. Das ist das Tolle an Japan: Man wird nicht übers Ohr gehauen. Trinkgeld ist unüblich, und ich hatte noch nie das Gefühl, für mein Geld nicht genug zu bekommen. Aber für die, die hoch hinauswollen: Spart Euch das Geld für den „Tokyo Sky Tree“ (die Schlange am Eingang ist laaang.) Stattdessen: Ein Drink in der „New York Bar“, im 52. Stock des Park Hyatt. Legendär geworden durch den Film „Lost in translation“. Nicht ganz so hoch wie der „Sky Tree“, die Aussicht aber ist phänomenal und der Gin Tonic großartig. Am besten zu Sonnenuntergang kommen. Wenn die Sonne hinter dem Mount Fuji untergeht, kostet auch der Eintritt zur Bar noch nichts.
Mein liebstes Fortbewegungsmittel in meiner Stadt: Fahrrad. Die Luft in Tokio ist gut, bis zu den Olympischen Spielen 2020 will die Stadt ihr Radwegenetz ausbauen. Der Verkehr ist überschaubar. Das verwundert nicht: Wer ein Auto in Tokio kaufen will, muss einen Garagenplatz nachweisen. Und der ist teuer: 400 Euro im Monat aufwärts. Deshalb fahren die meisten Tokioter Zug oder Metro. Oder wohnen außerhalb. Denn in Tokio bekommt man für 400 Euro eben maximal eine Garage.
Die schönste Zeit im Jahr: Sakura - die Zeit der Kirschblüte, Ende März bis Mitte April. Jetzt herrscht Ausnahmezustand im gesamten Land, ganz Tokio pilgert am Wochenende in die Stadtparks, um unter den Kirschbäumen zu picknicken. Wer vor den Massen flüchten möchte: Mittagessen in einem der vielen kleinen Bistros und Cafés entlang des Meguro Flusses in Naka-Meguro, Meguro-ku. Es ist angenehm warm, aber noch nicht zu heiß und für einen Platz in der Sonne braucht es nicht viel Glück, denn die Japaner sind sonnenscheu.
Über diese sprachlichen Eigenheiten muss man Bescheid wissen: „Geht es hier entlang zur Tokyo Station?“ „Ja.“ „Oder eher in diese Richtung?“ „Ja.“ Japaner sagen nicht gerne nein - ja sagen ist einfach viel angenehmer. Hätte ich das früher schon gewusst, hätte sich der Weg zur Tokyo Station vielleicht etwas weniger mühsam gestaltet. Ein „Nein“ wird in Japan elegant umschifft, wenn jemand sagt: „Sumimasen, ga chotto…“ (Entschuldigung, aber ein bisschen…) kann man aber davon ausgehen, dass das in unserem Sprachgebrauch ein klares Nein bedeutet.
Hier trifft man auf waschechte Tokioter: überall. Denn insgesamt leben in Japan nur rund ein Prozent Ausländer. Sicher aber in jedem „Izakaya“, bei uns würde man dazu wahrscheinlich „Baisl“ sagen. Das Menü gibt es meistens nur auf Japanisch (viel Glück beim Bestellen), Bier und „Umeshu“ (Zwetschgenwein) fließt bis auch der letzte Geschäftsmann hinaustorkelt, um den letzten Zug nach Hause zu erwischen.
Allen Sportfreaks kann ich empfehlen: Sonntag Morgen joggen rund um den Kaiserpalast im Herzen der Stadt. Eine Runde sind genau fünf Kilometer, hier trifft man auf ein buntes Gemisch aus Japanern und Ausländern, die alle für irgendeinen der zahlreichen Marathons trainieren. Das Beste: Sonntags wird ein Teil der Straße rund um das Palastgelände für Autos gesperrt.
Interview: Alexander Walzl