Der Cityroller in Genf
Die Übersetzerin und Dolmetscherin Barbara Angerer lebt seit sieben Jahren in Genf. In dieser Ausgabe des Cityrollers erzählt die Glurnserin, wie man das internationale Genf von seiner besten Seite erleben kann ohne seinen Geldbeutel allzu sehr zu belasten.
Menschenrechtsrat der UNO
Meine Stadt ist: Genf
Mein Lieblingsrestaurant: Le Thé, kleines, aber feines Chinarestaurant mit einer kleinen Auswahl chinesischer Gerichte und einer Tee-Karte, die sich sehen lassen kann. Ohne Reservierung kommt man unmöglich an einen Platz. Am besten reserviert man telefonisch – da kann man auch gleich das eigene Hörverständnis des Französischen mit Akzent auf die Probe stellen.
Hier trinke ich am liebsten einen Aperitif: Im Sommer an der Rhone, im Stadtteil Jonction. Am Ufer wird Musik gehört, gegrillt, gebadet und selbstmitgebrachtes Bier getrunken. Für mich der beste Aperitif der Stadt. Im Winter geht man auf Kneipentour ins Studentenviertel in die Rue de l’Ecole de Médecine (Café du Lys, Ferblanterie) oder, je nach verfügbarem Budget, in die Altstadt.
Hier gibt’s den besten Kaffee: Auch nach siebenjährigem Aufenthalt habe ich diesen Ort leider noch nicht gefunden. Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf…....
... und die besten Snacks für zwischendurch: Die Bäckerei Saint-Honoré in der Rue de Carouge hat das beste Brot, die frischesten Croissants und leckere belegte Brote für zwischendurch. Und das Beste: Dank der Nachtglocke kann man seinen Heißhunger nach durchtanzter Nacht mit ofenfrischen Croissants und Schokobrötchen stillen. Einmal klingeln genügt!
Hier kann man gut feiern: Im Pâquis, das ist das Rotlichtviertel, strategisch zwischen Bahnhof und UNO gelegen. Zum Tanzen geht man ins Palais Mascotte oder in den Mambo Club.
Mein perfekter Abend ist ein Sommerabend: 18.00 Baden im See, 19.00 Aperitif und Abendessen im Strandbad Bains des Pâquis und sobald es dunkel wird: Open-Air-Kino Ciné-Transat an der Perle du Lac. Dort kann man die demokratisch per Facebook gewählten Kinoklassiker auf Leinwand direkt am Seeufer sehen (Juli-August).
Der Ort, wo ich mich am besten entspannen kann: Im Bains des Pâquis, dem alternativen Strandbad der Stadt (so alternativ wie es für Genf halt geht). Das mitten im See und mitten in der Stadt gelegene Bad ist der beste Ort für einen Kurzurlaub vom Stadtgetümmel. Im Winter hat man von der Sauna aus einen 360°-Panoramablick auf die Stadt und ab 18.00 gibt es dort das beste Käsefondue der Stadt; im Sommer wird den ganzen Tag lang gebadet, geflirtet und gesonnt.
Die totale Touristenfalle: Essen auf den Fêtes de Genève Ende Juli und Anfang August. Abgesehen davon, dass das Rummelplatzgeschrei direkt am See unerträglich ist, zahlt man für eine simple Wurst so viel, wie sonst für eine ganze Mahlzeit. Das Musikprogramm am Abend kann sich allerdings sehen lassen – und kostet gar nichts.
Mein liebstes Fortbewegungsmittel in meiner Stadt: mein Fahrrad. Genf ist hügelig, aber ohne zu arge Steilhänge, da geht es auch ohne Elektromotor. Fahrradwege haben allerdings die dumme Angewohnheit, an den unpassendsten Stellen einfach aufzuhören. Die sich doppelt und dreifach überschneidenden Tramlinien mancherorts sind auch nicht ungefährlich für schnelle Radfahrer.
Die schönste Zeit im Jahr: Eindeutig der Sommer – den könnte ich durchwegs zwischen See und Fluss verbringen.
Über diese sprachlichen Eigenheiten muss man Bescheid wissen: Die Westschweizer machen es einem bei den Zahlen einfacher als die Franzosen: 70 heißt einfach „septante“ und 90 „nonante“ – das ist um einiges dankbarer, als die Rechenspiele, die man in Frankreich über sich ergehen lassen muss (70 = „soixante-dix“ – sechzig plus zehn – und 90 sogar „quattre-vingt-dix“ – vier mal zwanzig plus zehn)… Und was das Sprechtempo angeht sind sie auch gemütlicher.
Übernachtungstipps: Am besten bei Bekannten und Freunden – das ist günstiger. Für den Fall, dass doch die Firma zahlt und man im Flur Scheichs und Prinzessinnen begegnen möchte: Hôtel Président Wilson. Möchte man dazu noch nicht auf Lamborghinis und Ferraris in der Einfahrt verzichten, logiert man am besten im Hôtel des Bergues… Aber im Ernst: Freunde habe ich mal in der Jugendherberge untergebracht, das ist wohl die günstigste Variante (in der Rue Rothschild, direkt beim Bahnhof und nicht weit vom See entfernt). All jenen, die ihren Studienjahren nachtrauern und etwas Studentenluft schnuppern möchten, empfehle ich das Studentenheim Cité Universitaire im Wohnviertel Champel: Das bietet auch Touristen auf der Durchreise einfache, aber saubere Zimmer mit Etagen-Dusche und -WC. Am beschaulichsten ist Gebäude A (am besten ab Etage 5 aufwärts, bergseitig), original 70er-Jahre-Erlebnis garantiert. Wer Glück hat, kann sich am Abend einer netten Studentengruppe zum Kochen und Essen in der Gemeinschaftsküche anschließen.
Hier trifft man auf waschechte Genfer: Das kommt drauf an, was man unter „waschecht“ versteht. Rund 45 % der Genfer Bevölkerung sind Ausländer. Die eingesessenen Genfer sind aber an den Märkten anzutreffen, die an fast jedem Wochentag in einem der Genfer Stadtviertel abgehalten werden – und je nach Durchschnittseinkommen des jeweiligen Viertels mehr oder weniger schick einkaufen gehen.
Fontäne und See - Wahrzeichen der Stadt
Das perfekte 24-Stunden-Programm in meiner Stadt: Fahrradtour auf den nahegelegenen Salève, den Hausberg Genfs, der allerdings schon hinter der Grenze in Frankreich liegt; Essen im lateinamerikanischen Bistrot „Sabor Latino“, im Viertel Saint-Jean; Kaffee zuhause oder bei Freunden, Sonnen und Musikhören auf dem Balkon und, wenn die Kräfte noch ausreiche, weiter an den See (s. Punkt 7, Mein perfekter Abend).
Was in keinem Reiseführer steht: Genf ist teuer, aber es gibt jede Menge Veranstaltungen für die kleineren Geldbörsen. An jedem ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt in Museen gratis – und es gibt auch kostenlose Führungen (besonders empfehlenswert: das neu eröffnete ethnographische Museum). In den Sommermonaten sorgt gleich neben dem Musée des Sciences eine Bar des Vereins Barje für einen entspannten Feierabend mit Bier, kleinen Snacks und hipper Musik. Salsa-Abende finden dort einmal pro Woche statt und es werden auch Boccia-Turniere (hierzulande „pétanque“ genannt“) organisiert. Der Kinoeintritt kostet in Genf ein kleines Vermögen, aber dafür gibt es jede Menge Filmfestivals (Black Movie im Januar-Februar, Festival der Menschenrechte im März, russisches Kino-Festival im September), bei denen man sich als freiwilliger Helfer jede Menge Filme gratis ansehen kann.
Hier kaufe ich am liebsten ein: auf dem Samstagsmarkt im französischen Moillesulaz, gleich hinter dem Zollhäuschen der Grenzbeamten. Da kommt man direkt mit der Tram 12 hin und kann sich mit Obst, Gemüse, Brot und Fisch eindecken – und trotz der super Qualität Geld sparen – Euro sei Dank. In Genf selbst gibt es einen feinen Sonntagsmarkt am zentral gelegenen Platz von Plainpalais mit Flohmarkt und Essensständen, die orientalische Köstlichkeiten anbieten.
Allen Sportfreaks kann ich empfehlen: Für kälteresistente (und exhibitionistisch veranlagte) Schwimmer ist die Coupe de Noël, die jedes Jahr vor Weihnachten stattfindet, ein Geheimtipp. Verkleidet springen die Winterschwimmer gruppenweise ins 4-8 Grad kalte Nass. Die Medien sind auch zugegen. Dann gibt es auch noch die Course de l‘Escalade, einen Stadtlauf, der anfangs Dezember in der Altstadt stattfindet und für alle Läufer von Anfängern bis Profis eine geeignete Route bietet.
Das Besondere am Stadtbild ist: Der See mit seiner Fontäne – beide Wahrzeichen der Stadt, auch wenn der See auf Französisch nicht „Genfersee“, sondern Lac léman heißt.
Redaktion: Alexander Walzl