"Es ist ein blutiger Kampf"

Samstag, 18.07.2020
Es ist ein blutiger Kampf: Weil ihr Horn in manchen Ländern als Heilmittel gilt, werden Nashörner auf der ganzen Welt brutal gewildert. Südstern Friederike Pohlin setzt sich seit Jahren für den Schutz der Tiere ein. Im Job-Protokoll erzählt die 32-jährige Tierärztin und Wildtierökologin, warum Wildtiere es ihr angetan haben und was sie sich für die Zukunft wünscht.

 

„Ein anderes Studium als Veterinärmedizin kam für mich nie in Frage. Seit ich denken kann, liebe ich Tiere. Schon als kleines Mädchen schrieb ich in mein Tagebuch, dass ich gerne einen Zoo hätte, mit allen Urwaldtieren, die ich retten könnte, weil sie kein Zuhause mehr haben. Dass der Regenwald abgeholzt wird und viele Habitate verloren gehen, das war mir schon damals klar. In der Oberschule machte ich in der Sommerzeit Praktika bei verschiedenen Tierärzten. So habe ich früh einen wertvollen Einblick in die Arbeit bekommen. 

 

München oder Wien? Dass ich Veterinärmedizin studieren würde, war klar, nun musste ich mich noch für den richtigen Studienort entscheiden. Schlussendlich ist es Wien geworden. Das Studium an der Vetmeduni Vienna fokussiert vor allem auf Haustiere. Somit habe ich mich am Anfang vor allem mit Hund, Katze, Pferd und Nutztieren auseinandergesetzt. Obwohl ich gerne studiert habe, hat mich der kompetitive Ansatz in der Ausbildung gestört. Du musst wahnsinnig viel leisten und erlebst dann bei Ausflügen in die Praxis, dass es oft nicht so sehr ums Wohl der Tiere geht, sondern in erster Linie um die Kosten der Behandlung oder die Wünsche des Besitzers. Die Arbeitssituation ist, vor allem für Frauen, nicht einfach. 

 

Kurz vor Ende des Studiums stand ich an einem Punkt, wo ich nicht recht wusste, in welche Richtung ich gehen möchte. Als dann meine Mama starb, stellte ich mir die Frage, was ich eigentlich will. Mir wurde klar, dass ich das große Ganze im Auge behalten möchte, indem ich einen Beitrag zum Wohl der Tiere leiste. 

Meine erste Erfahrung im Bereich der Wildtiermedizin habe ich in Belize gemacht. In der Wildlife and Referral Clinic habe ich bei einem Internship in der Rehabilitation von verletzten und beschlagnahmten Wildtieren gearbeitet. Beschlagnahmte Affen, Leguane, die angefahren wurden oder illegal gefangene Vögel: Plötzlich hatte ich es mit Tieren wie diesen zu tun. Ich fand diese Arbeit sehr bereichernd. Nach einem halben Jahr bin ich wieder zurück nach Wien und habe mich an der BOKU für Wildtierökologie und Wildtiermanagement inskribiert, weil ich noch mehr über Wildtiere lernen wollte. Gleichzeitig arbeitete ich weiterhin als Tierärztin in einer Gemischt- und Kleintierklinik um wertvolle klinische Erfahrungen zu sammeln. Meine Bemühungen haben sich schließlich ausgezahlt und ich hatte ich die Möglichkeit ein Doktoratstudium, unter der Betreuung von Prof. Meyer, an der University of Pretoria in Südafrika zu absolvieren. 

 

Im Fokus stand in dieser ganzen Zeit der Schutz der Nashörner. Das Thema begleitet mich nun schon seit vielen Jahren. Ich arbeite hauptsächlich mit dem südlichen Breitmaulnashorn. Heute leben noch etwa 10.000 Tiere in freier Wildbahn. Als ich 2017 in Südafrika angefangen habe, sprach man noch von 18.000. Das gibt mir schon zu denken. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es keine Hundert mehr. Wildtierärzte haben dann damit begonnen, die Tiere lokal zu verteilen und international in die Zoos zu bringen. Das zeigt, wie wichtig Tiertransporte sind, auch wenn das Wort nicht schön klingt. Werden alle Tiere an einem Ort belassen, kann das für die Art sehr gefährlich sein. 

 

Obwohl es mittlerweile wieder viele Nashörner gibt, sind sie nach wie vor gefährdet. Während Anfang des 19. Jahrhunderts die unkontrollierte Jagd das Problem war, ist es heute die Wilderei. Den Wilderern geht es nur um das Horn der Tiere. Es erzielt auf dem Schwarzmarkt den doppelten Wert von Gold. Das Horn wird vor allem in China als Investitionsobjekt verwendet und gilt in der fernöstlichen Medizin als Heilmittel. 

 

Wegen eines Heilmittels, das keines ist, werden pro Jahr bis zu 1000 Tiere gewildert. Die Folgen sind brutal. Die Wilderer schneiden den Tieren nicht nur das Horn ab, sondern auch den halben Nasenbeinknochen. Die Tiere sehen sehr schlecht, und merken oft erst im letzten Moment, dass ein Wilderer vor ihnen steht und laufen deshalb auch nicht eher weg. 

 

Eines der Projekte, an dem ich beteiligt bin, bringt Tiere aus Gegenden mit viel Wilderei in sichere Orte. Teil meiner Studien zur Doktorarbeit war die Untersuchung, wie sich die Umsiedlung auf das Stressempfinden der Tiere auswirkt. Seit Anfang des Jahres bin ich am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni Vienna beschäftigt, wo ich Möglichkeit habe, neben anderen Tierschutzprojekten, meine Forschungsarbeit mit den Nashörnern weiter zu führen. An der Uni zu arbeiten, mein Wissen an Studenten weiterzugeben, mich zudem in der Veterinäranästhesie fortzubilden und Teil eines interdisziplinären Teams zu sein, gefällt mir sehr gut. 

 

Meine Arbeit zeigt mir immer wieder aufs Neue, wie wichtig der Zusammenhang Mensch-Tier-Umwelt ist. Die Covid-Pandemie hat uns ja letzthin allen vor Augen geführt, dass es in unserer schnelllebigen Welt nicht immer nur höher und weiter gehen kann. Die Lebensräume werden immer kleiner und die Wildtiere stehen immer näher im Kontakt zum Menschen. Die Gesundheit unserer Umwelt betrifft uns alle. Jetzt mehr als je zuvor.”

 

Fotos: (c) SYMCO

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