Ihr arbeitet rund um die Uhr an Anger. Wie viel Streit steckt in den Songs?
Nora: Im Lockdown haben wir noch mehr Zeit zusammen verbracht als sonst. Aber wir streiten weniger. Vielleicht, weil wir nicht auf Tour waren, das ist immer sehr stressig…
Julian: ... ich glaube es hängt auch damit zusammen, dass wir unsere Rollen erst erkämpfen und finden mussten. Über die letzten Jahre hat sich das professionalisiert. Nicht nur, weil wir Menschen um uns haben, die uns unterstützen, sondern weil auch wir gelernt haben, unseren Alltag zu gestalten.
Nora: Ja, stimmt. Wenn man alles selber machen muss, ist es viel nervenaufreibender. Jetzt ist das unser Beruf, auch das gibt Sicherheit.
2020 hättet ihr auf Europatournee gehen sollen. Dann hat euch die Pandemie fast gänzlich ausgebremst. Wie fühlt sich das an?
Julian: Wie eine riesige Ohrfeige. Wir haben 2019 beim Waves-Vienna-Festival in Wien den Preis als Newcomerband bekommen, sind Ende des Jahres nach Groningen aufs wichtigste Showcase-Festival gefahren und haben ein mega Konzert gespielt. Dann war plötzlich März und wir mussten 35 Konzerte absagen, die in ganz Europa stattgefunden hätten. Wir wären bis Oktober nonstop auf Tour gewesen. Das mussten wir erstmal verdauen.
Nora: Am Anfang war es ein Schock, ganz klar. Auch Angst spielte mit hinein, wie es wohl weitergehen würde. Aber dann haben wir angefangen, uns die ersten Freiräume im Kopf zu schaffen. Wir hatten plötzlich Zeit. Wir haben an unserer Kunst gearbeitet, ein neues Album geschrieben. Wir hatten Zeit, das, was in der kurzen Zeit seit 2017 passiert ist, zu verarbeiten. Ich hatte auch das Gefühl, es würde sich zum ersten Mal alles langsam setzen.
Das neue Album, ein Soundtrack dieser besonderen Zeit?
Ja, irgendwie schon. Es spielt sehr viel in der Natur, im Wald. Wir haben extrem viel gesportelt die ganze Zeit und gerade in diesen Tagen ein Video am Berg gedreht.
Julian: Aber es ist kein Abbild von Corona, sondern von unseren Freiräumen, die sich aufgetan haben. Wir haben reflektiert, wer wir sind. Es passiert im Leben manchmal, dass man sich verliert und gar nicht mehr weiß, warum man etwas macht. Diese Gedanken waren in der Zeit da, und wir haben sie im Album auch verarbeitet.
Nora: Wir haben immer gesagt: Nichts und niemand kann uns aufhalten.
Julian: Aber die Pandemie hat uns gezeigt, dass es nicht immer geht, Grenzen zu brechen. Irgendwie fühlt es sich an wie ein verlorenes Jahr und auf der anderen Seite war es sehr wertvoll. Ich habe so viel über mich gelernt wie noch nie.
Was ist die wichtigste Erkenntnis?
Es wirkt bei mir vielleicht nicht so, aber ich glaube schon, dass mich die Meinung der anderen immer sehr geprägt hat. Jetzt habe ich gemerkt, wenn man viel Zeit zu zweit oder alleine verbringt, dann bekommt man so ein Urvertrauen in sich selbst. Ich habe verstanden, dass ich das in erster Linie für mich mache. Und dann ist da der Faktor Zeit. Wir waren ultragestresst. Wir wollten so viel, am besten alles auf einmal. Wir sind morgens ins Auto gestiegen, am Nachmittag rausgefallen und direkt hinauf auf irgendeine Bühne. Wir haben gelernt, herunterzukommen und die Dinge auch langsamer anzugehen.
Planen oder treiben lassen?
Nora: Auf jeden Fall planen. Anger ist unser Unternehmen. Wir planen in Zehnjahresschritten und schreiben Jahr für Jahr unsere Ziele auf. Sie sind sehr konkret und ambitioniert. Nummer 1 Hit landen. Preis gewinnen. Europatournee starten. Was ja auch geklappt hätte… Mit einem Virus konnte ja niemand rechnen. Im Moment fühlt es sich gut an, dass für die Zeit ab Mai wieder Anfragen eintrudeln. Das gibt uns das Gefühl, dass es in der Branche wieder aufwärts geht. Wir bleiben positiv.
Südsterne können euch jetzt schon beim digitalen Jahresevent erleben
Julian: Uns muss man nur auf eine Bühne stellen, dann sind wir happy. Selbst wenn es eine digitale Bühne ist. Es wird eine halbe Stunde Power von Anger geben, und wir finden es sehr cool, dass wir dabei sind.
Nora: Wir spielen einen neuen Song. Der kommt am 1. Januar raus, beim Südstern-Jahresevent wird es die Vorpremiere geben. Es ist unser erstes Lied in Dialekt. In der Muttersprache zu singen, ist nochmal intimer. Dadurch werden die Leute noch näher an uns rankommen.