“Wir Menschen sind bequem”

Samstag, 07.03.2020
Die Lehre zum Heizungs-, Sanitär- und Gasinstallateur hat Südstern Burkhard Heidenberger noch im kleinen Handwerksbetrieb seines Vaters in Vahrn gemacht. Aber die Übernahme des Betriebes war für ihn dann doch keine reizvolle Zukunftsperspektive. Deshalb sattelte er noch einmal um, absolvierte die Studienberechtigungsprüfung, besuchte ein Kolleg in Mödling und landete in einem technischen Büro in Wien. Neben seinem Job als Planer fing er an, Seminare zu Themen wie Stress- und Zeitmanagement und Arbeitsmethodik zu halten und gründete schließlich 2007 Zeitblüten, ein Online-Portal für Entspannung und Achtsamkeit. Seit 2010 hat sich Heidenberger damit beruflich selbstständig gemacht. Und jetzt im März erscheinen seine Wege zu mehr Atempausen im Alltag auch in Buchform: In „Zeitblüten - Wege zu persönlichen Wohlfühlmomenten” will er Impulse und Tipps geben, wie sich jeder Ruheoasen schaffen und die eigenen „Zeitblüten” entdecken kann.

 

Wie kommt ein technischer Planer zum Schreiben?

In meinem Beruf musste ich regelmäßig technische Berichte und Protokolle verfassen. Auch für meine Trainertätigkeit habe ich Skripten für die Seminarteilnehmer ausgearbeitet. Dabei stellte ich fest, dass mir das Schreiben Spaß macht und relativ leicht von der Hand geht. Schließlich habe ich begonnen, für meine Website regelmäßig Beiträge zu schreiben. Bis heute sind es über 1.600 Artikel, die ich dort veröffentlicht habe. Und darüber ist wohl auch der Herder-Verlag auf mich aufmerksam geworden und hat angefragt, ob ich Interesse für ein Buchprojekt hätte. Ja, das hatte ich. Und so ist das Zeitblüten-Buch entstanden.

Was hat es mit deinen Zeitblüten auf sich?

Zeitblüten sind Momente und Erlebnisse, die sich vom Alltag abheben, unser Leben bereichern und uns einfach guttun. Es sind persönliche Momente der Entspannung, des Wohlfühlens, des Krafttankens und des „Abschalten-Könnens“. Sie sind wie Blüten, die für eine begrenzte Zeit aufblühen. Mein Webportal gibt es seit 2007. Seither haben mir über 800 LeserInnen ihre persönlichen Zeitblüten geschickt. Diese Sammlung habe ich veröffentlicht. Sie zeigt anschaulich, wie vielfältig und individuell diese Zeitblüten ausfallen können, so wie wir eben selbst auch vielfältig und individuell sind.

Wie viele Zeitblüten sollte jeder Mensch am Tag erleben, um gesund zu bleiben?

Eine Quantifizierung ist natürlich nicht möglich. Aber generell bin ich der Meinung, je mehr wir solche erwähnten Momente in unserem Alltag erleben, desto bereichernder werden wir unser Leben wahrnehmen, was auch positive Auswirkungen auf unser allgemeines Wohlbefinden und in weiterer Folge auf unsere psychische und physische Gesundheit haben kann. 

Viele empfinden es als äußerst schwierig, etwas an ihrem Leben zu verändern. Wie kann der Anstoß gelingen?

Meiner Erfahrung nach gelingen nachhaltige Veränderungen umso leichter, je näher man der persönlichen „Schmerzgrenze“ kommt bzw. je größer der Leidensdruck wird. Ein Beispiel: Jemand hat Rückenprobleme. Obwohl der Orthopäde empfiehlt, diesen durch gezielte Übungen und Sport entgegenzuwirken, schiebt der Betroffene das weiter auf. Die Rückenschmerzen nehmen zu, der Leidensdruck steigt und damit auch die Motivation, endlich aktiv zu werden. Der Leidensdruck muss im Übrigen nicht immer mit physischen Schmerzen verbunden sein. Weitaus häufiger zeigt sich dieser in psychischen Belastungen: Angst, Überforderung, Stress…

Gibt es einen Gegenpol zu Leidensdruck und Erreichen der Schmerzgrenze?

Ja. Genauso ausschlaggebend für eine Lebensveränderung können Leidenschaft und Begeisterung für eine Sache sein. Kurzum: Je geringer die Motivation, umso mehr Willenskraft ist notwendig für eine Lebensveränderung. Lässt beides zu wünschen übrig, wird es aus eigenem Antrieb in der Regel auch zu keiner Lebensveränderung kommen. 

Zeit ist unser höchstes Gut. Und doch verschwenden wir es oft. Warum? 

Grundsätzlich kommt es auf die jeweils individuelle Betrachtungsweise an: Was für mich verschwendete Zeit darstellt, muss es für jemand anderes noch lange nicht sein. Wir Menschen sind bequem. Oft ist es einfach angenehmer, sich der Muse und dem Nichtstun hinzugeben als aktiv zu werden und die begrenzt zur Verfügung stehende Zeit mit „sinnvollen Tätigkeiten“ zu füllen. Und dann mag es Menschen geben, die generell mit ihrer freien Zeit nicht viel anzufangen wissen, etwa aus Mangel an erfüllenden Aufgaben oder an Hobbys, die ihnen Freude bereiten. Oder weil ihr soziales Umfeld keine bereichernden Kontakte umfasst, die für gemeinsame Unternehmungen zur Verfügung stehen. Als „Ersatz“ dient dann häufig die tägliche Fernsehberieselung. Insbesondere rückblickend haben sie dann das Gefühl, viel Zeit verschwendet zu haben. Und dann ist da noch die Fremdbestimmung der eigenen Zeit. Je mehr wir Verpflichtungen nachkommen müssen – sei es im beruflichen oder privaten Bereich –, desto weniger sind wir selbst Herr über unsere Zeit. Diese Fremdbestimmung wird oft zu einem Teil auch als Zeitverschwendung empfunden. Und jeder von uns wird mehr oder weniger fremdbestimmt. 

Ist Südtirol für dich ein Zeitblütenspender?

Auf alle Fälle! So kann ich beispielsweise bei einer Wanderung in den Bergen herrlich abschalten, den Gedanken freien Lauf lassen und neue Energie tanken. Deshalb bin ich auch mehrmals im Jahr im Land. Aber auch der Kontakt zu meiner Familie in Südtirol und den Freunden, von denen ich die meisten bereits aus Kindheitstagen kenne, ist mir immens wichtig. Durch die technologischen Möglichkeiten ist es heute ein Leichtes, diese Kontakte zu pflegen – Entfernungen spielen kaum noch eine Rolle. 

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