Die Corona-Pandemie hat sich auf die Kultur stark ausgewirkt. Mein letztes Konzert liegt lange zurück. Aber es hat für mich auch viele positive Entwicklungen gegeben. Es gibt so viel Raum und Platz für Neues und gefühlt bin ich zum ersten Mal in meinem Leben richtig kreativ geworden. Das wird mir auch über diese Zeit hinaus bleiben.
Die Südtirol Filarmonica hat sich schon vor Corona angebahnt, jetzt konnte ich mehr Zeit in die Gründung des Orchesters investieren. Momentan kümmere ich mich um Öffentlichkeitsarbeit und halte den Kontakt mit den Musikerinnen und Musikern. Über 250 Südtiroler ProfimusikerInnen haben sich dem Projekt angeschlossen und stellen ein Orchester, mit welchem wir im September in Südtirol auftreten werden. Und dann habe ich mit meiner Mitbewohnerin, der Sängerin und Komponistin Elisa Godino, Nuja Meditation gegründet. Das ist für mich als Musikerin ein extrem erfüllendes Projekt, weil es sehr viel Kreativität fordert. Zum ersten Mal forme und kreiere ich Musik und ich frage mich, was muss der Track haben, wie muss es klingen, wie kommen wir da hin? Vorher war ich als Musikerin vor allem Interpretin, die spielt, was auf den Noten steht. Unser neuer Meditationszyklus beinhaltet Dankbarkeitsmeditationen in verschiedenen Sprachen. Die nächste bringen wir in allen Südtiroler Landessprachen - auch auf Ladinisch - heraus.
Die Harfe ist ein Instrument, das man schon sehr früh erlernen kann. Sie klingt bald nach etwas. Bei der Geige dauert es viel länger, bis der Musiker die Töne trifft. Das heißt nicht, dass Harfe einfach zu spielen sei. Jedes Instrument hat seine Schwierigkeiten. Bei der Harfe ist es die Koordination, weil man mit beiden Händen etwas anderes macht und auch noch die Pedale miteinbeziehen muss. Bis das automatisch abläuft, braucht es sehr viel Training. Jeder kann stundenlang üben und es perfektionieren. Wer dann so spielt, dass es berührt, das würde ich Musikalität nennen. Wenn ich im Orchester spiele und der Klang der Harfe kommt dazu, dann klingt das besonders. Die Komponisten haben den Einsatz der Harfe gezielt gewählt, um Emotionen zu schaffen. Auch optisch ist die Harfe ein sehr schönes Instrument. Ich liebe die Schnitzereien an der Säule. Meine habe ich in Chicago gekauft. Dafür bin ich mit einem Freund extra hingeflogen. Ein Instrumentenkauf ist eine sehr persönliche Sache.
Über mentale Vorbereitung für Musiker und Musikerinnen wird viel zu wenig geredet. Nervosität war bei mir immer da, besonders je älter ich geworden bin und je wichtiger das Vorspielen wurde. Eineinhalb Jahre habe ich mit einer Mentaltrainerin gearbeitet. Sie coacht eigentlich Sportler. Aber im Grunde ist es bei uns ja nicht anders: Wir müssen auch auf Knopfdruck 120 Prozent der Leistung abliefern und mental damit zurechtkommen. Das Geschäft ist hart. Oft bewerben sich 100 Harfenist*innen auf eine Stelle. Für mich war es immer wichtig, mir ein Leben abseits von Probespielen aufzubauen. Deswegen bin ich von meinen anderen Projekten sehr erfüllt.
Mit einer Harfenistin verbinden viele Menschen das Klischee des engelsgleichen Wesens am Instrument. Ich habe für Gigs schon unterschreiben müssen, dass ich mich weiß kleide und die Haare offen trage. Manchmal denke ich, ich sollte sie mir dunkel färben, um einen Kontrast zum Bild zu schaffen. Aber dann verwerfe ich das wieder. Unter Musikern raten wir manchmal, welches Instrument jemand wohl spielt. Und da tippt man bei mir sehr schnell auf Harfe. Das kann ausnahmsweise mal kein Zufall sein.”
©Akvile Sileikaite