Mit welchem Ergebnis?
Eine meiner klinischen Studien hat erstmals den Effekt der Anwendung einer Akne-Creme vor Operationen an der Schulter untersucht, da bei Schultergelenksoperationen Akne-Bakterien ins Operationsfeld gelangen und verheerende Infektionen des Schultergelenkes verursachen können. Die im Schulterbereich aufgetragene Akne-Creme vor dem Eingriff konnte die Bakterienzahl relevant reduzieren. Die Studie wurde in einem renommierten Journal für Schulterchirurgie veröffentlicht und mit drei Preisen ausgezeichnet, darunter dem Preis der Amerikanischen Gesellschaft für Schulterchirurgie für die beste orthopädische Arbeit, da eine Bakterienreduktion und somit Vorbeugung vor Infektionen für den Patienten von bedeutender Relevanz ist.
Die Medizin wird immer weiblicher. An vielen Unis studieren mehr Frauen als Männer. Trotzdem sind in Führungspositionen und auch in der Forschung häufiger Männer ganz vorne. Müssen sich Frauen immer noch mehr beweisen?
Ich bin im Vorstand der Vereinigung der Schweizer Orthopädinnen. Wir haben diese Fragestellung tatsächlich betrachtet und Studien dazu gemacht. So wurde zum Beispiel die Geschlechterverteilung beim Studium analysiert, wo der weibliche Anteil in der Schweiz bei über 60 Prozent liegt. In der Facharztausbildung in den Bereichen Unfallchirurgie und Orthopädie hingegen sind es nur noch 30 Prozent Frauen. Und wenn man sich die Chefposten anschaut, nur noch weniger als zehn Prozent. Der Trend ist aber steigend. Im Bereich der Forschung ist es übrigens ähnlich wie im klinischen Kontext: Frauen sind auf Kongressen unterrepräsentiert, sie gewinnen auch deutlich weniger Preise.
Wieso ist das so? An der Leistung kann es nicht liegen.
Vor allem drei Gründe stechen heraus, warum Frauen die Orthopädie eher meiden. Einmal, weil mehr Kraft benötigt wird. Die Operationen dauern sehr lange, wir arbeiten mit Hammer und Meißel. Sicher hat eine Frau aufgrund der Konstitution da etwas schlechtere Karten. Aber das kann man alles mit Technik und Übung kompensieren. Ein weiterer Grund ist die Work-Life-Balance, die in diesem Bereich für Frauen herausfordernder ist. Stichpunkt lange Operationen von mehreren Stunden. Und dann fehlt auch oft das Mentoring und die Vorbildfunktion. Der Start der Medizinuni in Bozen ist hier sicher eine tolle Möglichkeit, die Exposition zu dem Fach schon während des Studiums anzubieten, damit Studentinnen auch einen Zugang dazu finden. Prinzipiell finde ich, dass das Geschlecht keinen Einfluss auf irgendwelche Entscheidungen im Leben haben soll. Ein Oberarzt hat einmal zu mir gesagt: Die Männer überschätzen sich und die Frauen unterschätzen sich. Da ist vielleicht auch etwas Wahres dran.
Stichpunkt Meduni Bozen: Wie siehst du Südtirol als Medizinstandort?
Südtirol hat ein genügend großes Einzugsgebiet und geschaffene Infrastruktur und sehr motivierte Spezialisten im In-, aber auch im Ausland, die an diese Zentren geholt werden könnten, um in Südtirol für die Bevölkerung die optimale Versorgung anbieten zu können.
Was macht die Schweiz im Moment zum Ort deiner Wahl?
Im Rahmen meiner Ausbildung habe ich einige Stationen gesehen, in Österreich, Deutschland, Südafrika. Das Ausbildungssystem in der Schweiz ist sehr strukturiert. Das finde ich gut. Schon während des Studiums kann jemand viele Tätigkeiten und auch Verantwortung übernehmen. Man wird strukturiert an ein Fach herangeführt, dieser Prozess wird streng überprüft, aber dann darf man es auch ausführen. Das hat mich überzeugt, hier meine Ausbildung zu machen.
Wie oft kommst du noch nach Gais?
Mein Alltag in Zürich besteht vor allem aus Arbeit. Die Forschung läuft ziemlich in der Freizeit ab. Da bin ich flexibel und arbeite auch oft am Wochenende daheim. Ich bin an den Wochenenden sehr oft in Südtirol.
In Südtirol ist die Angst vor der Zweiklassenmedizin im Moment so groß wie nie zuvor. Wie erlebst du das in der Schweiz?
Ich arbeite an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich. Sie ist aber privat geführt, von daher sehe ich beides. Das System ist in der Schweiz darauf ausgelegt, dass wirklich jeder Zugang zum Gesundheitssystem und -wesen hat. Die Entscheidung, sich privat versichern zu lassen, bringt vielleicht beim stationären Aufenthalt gewisse Vorzüge. Diese Entscheidung trifft jeder für sich selbst. Aber in der medizinischen Versorgung gibt es keinen Unterschied.