„Ressourcenschonender Lebensstil hat nichts mit Verlust zu tun”

Mittwoch, 19.02.2025
Kathrin Dellantonio arbeitet seit 2006 für myclimate, seit 2022 ist sie Geschäftsführerin von myclimate Schweiz und sagt über ihren Job, dass er den Traum vom „purpose driven job” erfüllt. Wie der Südstern zum Traumjob gekommen ist und welche neuralgischen Punkte dabei entscheidend waren – das verrät sie uns in ihren wichtigsten privaten und beruflichen Wendepunkten.

 

 

Wie kam der Umweltschutz als Thema in dein Leben?

Umweltschutz und der sorgsame Umgang mit Ressourcen waren mir immer schon nahe. Das hatte einerseits mit dem Elternhaus zu tun, wo diese Themen immer schon wichtig waren. Ganz stark getrieben war es aber durch die Pfadfinder, wo ich von acht Jahren bis Mitte 20 sehr aktiv eingebunden war. Das steckte immer schon tief in mir drinnen, aber ich hätte trotzdem nie gedacht, dass ich da beruflich etwas machen kann. Um die Jahrtausendwende, als ich studiert habe, gab es nicht so viele Jobs in dem Bereich. In meinem Studium der Politikwissenschaften, war Klima- und Umweltpolitik praktisch nie ein großes Thema. 

 

Im letzten Studienjahr bist du dann doch mit dem Thema in Kontakt gekommen. Wie?

Es war reiner Zufall. Ich wollte einen sinnvollen Einsatz machen, der mich über die Grenzen Wiens hinausführt. Ein Bekannter, der Dokumentarfilme über Projekte in aller Welt, bei den Südtiroler*innen involviert waren, drehte, meinte, er hätte da was Spannendes in Brasilien. Ein Schutzprojekt im Regenwald. Also bin ich nichts wie hin. Mit brasilianischen Studenten habe ich bei dem Projekt berechnet, wie viel Biomasse und CO2 gespeichert sind. Aufgrund unserer Ergebnisse hat ein Kraftwerk in England als Kompensation für seine Emissionen dieses Projekt finanziert. Plötzlich habe ich den Mechanismus gesehen, den das Projekt anwendet und dass er höchst politisch ist. Der Clean Development Mechanism (CDM) des Kyoto-Protokoll wurde hier schon umgesetzt. Das war also Klimapolitik. Ich fand das mega spannend, plötzlich einen Link zum Studium zu haben und mit einem Mal hatte ich auch ein Thema für die Diplomarbeit. 

 

Nach Abschluss des Studiums fehlte nur noch der passende Job in dem Bereich. 

Ich bin nach dem Studium nach Zürich gezogen, weil mein damaliger Freund – auch ein Südtiroler – dort an der ETH doktorierte. Da habe ich schnell gemerkt, dass die Schweiz ein gutes Pflaster für solche Themen ist, viel mehr als Wien. Und doch habe ich zunächst was anderes gemacht, weil ich in dem Bereich nichts gefunden habe. Mit einer Freundin bin ich dann auf Reisen gegangen. Diese Erfahrung hat mich dazu gebracht, es doch noch einmal im Bereich Umweltschutz zu versuchen. Ich habe ein Praktikum bei WWF gemacht. Als ich an einem Lauf teilgenommen habe, bin ich sprichwörtlich beim Zieleinlauf meiner Zukunft entgegengerannt. Da war ein Stand von myclimate. Ich erfuhr von den ehrenamtlichen Mitarbeitern, alles ETH-Studenten der Umweltnaturwissenschaften, die während dem Studium myclimate gegründet hatten, was die Organisation macht und habe mich kurzerhand angeschlossen und einen Tag pro Woche ehrenamtlich mitgearbeitet.

 

Nun kam der nächste Schritt…  

Als ich hörte, dass myclimate Leute einstellte, habe ich meinen Job bei WWF aufgegeben  und sehr schnell die Führung vom Bereich Sales, Marketing und Kommunikation übernommen. Mit drei, vier anderen habe ich den Einstieg in den Beruf gemacht. Wir waren alle ganz neu und haben uns schon gefragt, ob wir das überhaupt können. Aber plötzlich sind wir von Anfragen aus der Wirtschaft förmlich überrannt worden, dass wir gar nicht mehr groß nachdenken konnten. Zu der Zeit kam der Film „An Inconvenient Truth” von Al Gore raus. Dadurch kam eine Dynamik in die Thematik hinein, die ansteckend war. Bis Anfang 2011 haben so viele Unternehmen das Thema Klimaschutz für sich entdeckt, indem sie Beratung gesucht haben, wie sie Emissionen reduzieren oder eigene Projekte umsetzen können. Mit der wirtschaftlichen Stagnation um 2011, 2012 ist es auch bei uns zu einem kleinen Einbruch gekommen. Mit dem Paris Agreement (in den Jahren 2016 und 2017), Fridays for Future und Klimastreiks in verschiedenen Orten kam wieder eine extreme Dynamik in das Thema. Auch myclimate hat einen wahnsinnigen Entwicklungsschub gemacht. Mittlerweile sind 200 Mitarbeiter in sechs Ländern dabei, nach myclimate Schweiz haben wir 2009 myclimate Deutschland und 2022 myclimate Österreich gegründet. 

 

Nach Jahren der Konsolidierung kommt nun wieder eine interessante Phase: Das Thema Klimaschutz als eines der drängendsten der heutigen Zeit scheint zwischen Krieg, Inflation und Wahlen wieder etwas in den Hintergrund gerückt zu sein. 

Es hat sich geopolitisch so viel getan. Das Klimathema ist in einer anspruchsvollen Phase, die Dynamik von vor zwei Jahren ist nicht mehr da. Gleichzeitig merken wir, dass das Thema gerade regulatorisch geregelt wird. Staatliche Vorgaben oder EU-Vorgaben betreffen immer mehr Unternehmen, die sich daran halten müssen. Somit wird zunehmend zur Pflicht, was manche bisher freiwillig gemacht haben. Das Potential wächst dadurch für uns wieder stark. Die Gewichtung des Themas in den Medien und in der Politik merken wir immer ganz stark. Unsere Auftragslage verändert sich dann sofort. Die Geschwindigkeit, mit der unsere Stiftung wächst, ist heute eine andere. In der Zeit von 2019 bis 2023 hat sich die Anzahl der Mitarbeiter verdoppelt, der Umsatz verdreifacht. Somit waren wir auch auf formaler Ebene gefordert. 

 

Du bist jetzt seit 20 Jahren dabei, seit zwei Jahren als Geschäftsführerin. Wächst man mit?

Auf jeden Fall. Auch nach 20 Jahren bei myclimate liebe ich den Job. Alle, die zu uns kommen, machen das aus der intrinsischen Motivation heraus, mit dem, was sie tun, den Unterschied ausmachen zu können. Die Mitarbeitenden wollen mehr als einen Ort, wo sie vier, fünf Tage in der Woche arbeiten. Sehr engagierte Mitarbeiter sind fordernder, das bringt Herausforderungen mit sich, spornt aber an. Auch ich könnte mir nicht vorstellen, eine Arbeit nur zu machen, weil man halt einen Job braucht, um Geld zu verdienen. In der Summe hat mir der Job viel mehr Energie gegeben, als ich hineingesteckt habe. Ich merke oft, was das für ein Privileg ist. Auch wenn ich mein ganzes Berufsleben bei myclimate verbracht habe, war es im Grunde genommen alle paar Jahre ein neuer Job. Wie jedes Unternehmen müssen wir privatwirtschaftlich denken. Aber als Stiftung verfolgen wir ein höheres Ziel, das wir als Gesellschaft haben.  Alle Gewinne, die wir erzielen, bleiben in der Stiftung und helfen uns, noch mehr Impact im Klimaschutz zu erzielen. 

 

Wie lebt man privat das Thema Umweltschutz, wenn man sich beruflich ständig damit beschäftigt?

Ich lebe den Umweltschutz zusammen mit meiner Familie, insbesondere meinen beiden Töchtern (9 und 11) sehr intensiv. Wir hatten nie ein Auto, wohnen bewusst auf wenig Wohnfläche, kaufen Mode fast nur secondhand und fliegen auch nicht mehr. Ressourcenschonender Lebensstil hat nichts mit Verlust zu tun, sondern kann sehr spannend und lustvoll sein. Wir möchten das auch nicht mit erhobenem Zeigefinger vorleben, sondern den Klimaschutz im persönlichen Lebensbereich in ein positives Narrativ bringen. 

 

 

Info:

myclimate ist Partner für wirksamen Klimaschutz – global und lokal. Gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft sowie Privatpersonen will myclimate durch Beratungs- und Bildungsangebote sowie eigene Projekte die Zukunft der Welt gestalten. Dies verfolgt myclimate als gemeinnützige Organisation marktorientiert und kundenfokussiert.

Als internationale Klimaschutzorganisation mit Schweizer Wurzeln bietet myclimate mit wissenschaftlichen Expert*innen individuelle Branchenlösungen und Klimastrategieberatung für Geschäftskund*innen an. Zum Kundenkreis zählen große, mittlere und kleine Unternehmen, die öffentliche Verwaltung, Non-Profit Organisationen, Veranstalter sowie Privatpersonen. Von der Stiftungszentrale in Zürich und den verschiedenen Standorten in Deutschland und Österreich aus betreut myclimate Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen weltweit.

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