Steuern sparen durch den „Rimpatrio“? Aber richtig!

Donnerstag, 02.06.2022
Zurück nach Südtirol? Diese Frage stellt sich für Südsterne oft. Besonders seit der sogenannte „Rimpatrio“ mit bedeutenden Steuererleichterungen verbunden sein kann. Das Thema gehört zu den häufigsten Fragen, mit denen sich Südsterne an den Verein wenden. Anlass für uns, mit Südstern und Global-Mobility-Expertin Cristina Martello die wichtigsten Fragen zum Thema zu klären. Im Gespräch erklärt die Steuerberaterin, wer den Bonus bekommt, was alles zu beachten ist und warum vor allem der Zeitpunkt des Umzugs am Ende entscheidend ist.

 

 

Wer nach über zwei Jahren im Ausland nach Italien zurückkehrt, kann enorme Steuererleichterungen genießen. 

Cristina: Viele Südtiroler*innen streben den sogenannten Rimpatrio irgendwann an. Erleichterungen gibt es schon seit über zehn Jahren. Aktuell regelt Artikel 16 der Gesetzesverordnung Nr.147 vom 14.09.2015 die Steuererleichterungen von zuziehenden Personen. Es handelt sich um eine dauerhafte Sonderregelung, die in den Jahren neu angepasst und formuliert worden ist.

 

Seit 2019 ist das Gesetz in der aktuellen Fassung gültig. Warum hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen?

Es ging zunächst darum, die wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung des Landes zu fördern, indem Arbeitskräfte zurückgeholt werden, die im Ausland arbeiten. In der ersten Fassung galt dies für zurückkehrende Arbeitskräfte. Mittlerweile sind auch zuziehende, also EU-Bürger und Bürger anderer Staaten und somit auch jene, die das erste Mal nach Italien ziehen und davor nie im Land gelebt haben, eingeschlossen. 

 

Bleiben wir konkret bei den Südsternen, die ja alle bereits zuvor in Italien gelebt haben. Wer von ihnen darf die Steuerbegünstigung beanspruchen?

All jene, die in den zwei Steuerjahren vor dem Umzug nicht in Italien ansässig gewesen sind und nach Italien ziehen, um eine Arbeitstätigkeit zu beginnen. Das kann eine selbständige Tätigkeit sein, eine unternehmerische Tätigkeit oder eben eine Festanstellung. Wer die Begünstigung nicht verlieren will, muss auch mindestens zwei Steuerjahre in Italien steuerpflichtig bleiben. Seit dem Jahr 2020 gelten die Begünstigungen grundsätzlich auch für jene Personen, die zwar für 2 Steuerjahre im Ausland ansässig waren, aber nicht im AIRE-Register eingetragen.

 

Welche kritischen Punkte gilt es zu beachten?

Zwischen dem Moment des Umzugs und dem Beginn der Arbeitstätigkeit muss ein Zusammenhang bestehen. Leider gibt es hier keine klare Regelung, welcher Zeitraum eingehalten werden muss. Die Steuerbehörde analysiert bei einer Kontrolle einen solchen Zusammenhang. Deshalb ist es wichtig, die eigene Position gut zu analysieren und entsprechend alles im Detail zu planen. Ich rate deshalb jedem, dies in Absprache mit dem Steuerberater zu machen. Es braucht eine maßgeschneiderte Analyse der Steuerposition, denn es gibt auch Unterschiede je nach Land, aus dem man zuzieht oder Position, die man innehatte. 

 

Gerade der Punkt des Umzugs kann am Ende Probleme schaffen. 

Einfach mal nach Italien ziehen und irgendwann mit der Tätigkeit beginnen, das geht natürlich nicht. Die Steuerbegünstigung ist spezifisch auf die Arbeitstätigkeit ausgerichtet, denn das will man ja fördern. Denn im Gesetz steht nicht, ob die Tätigkeit sofort losgehen muss oder ob es eine kurze Pause dazwischen geben kann. Und dann gibt es auch noch andere wichtige Punkte, dies es zu beachten gilt, z.B. ob die gesamte Familie nach Italien zieht oder nicht. Denn die Steuerbehörde ist streng, wenn es um die Auslegung geht. 

 

Muss der Umzug zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen?

Nein, hier gibt es keine Vorgaben. Wenn ich im ersten Halbjahr umziehe, dann bin ich für das ganze Jahr in Italien steuerpflichtig (mit einigen Ausnahmen). Das bedeutet, dass man einerseits sofort von der Erleichterung Gebrauch machen kann, andererseits muss das Welteinkommen und Vermögen für das gesamte Jahr in Italien versteuert werden. Ziehe ich in der 2. Jahreshälfte um, dann bin ich nur beschränkt steuerpflichtig und die Steuerbegünstigung greift erst im Folgejahr. Deshalb ist eine konkrete Planung sehr wichtig. 

Wie hoch ist die Steuererleichterung?

Wenn alle Bedingungen gegeben sind, zahle ich nur auf 30 Prozent des zu besteuernden Einkommens die Einkommenssteuer. Und das für fünf Jahre! Weiters kann es zu einer Verlängerung der Erleichterung kommen, wenn man ein minderjähriges Kind hat oder eine Wohnimmobilie in Südtirol erwirbt. Die Verlängerung gilt dann für fünf weitere Jahre, wobei „nur” noch 50 Prozent des Einkommens steuerbefreit sind. Weitere Ausnahme: Bei drei minderjährigen Kindern zahlt man hingegen bei Verlängerung um weitere fünf Jahre nur auf zehn Prozent des besteuernden Einkommens die Einkommenssteuer. 

 

Nehmen wir als Beispiel eine selbständige Inneneinrichterin. Sie verdient etwa 100.000 Euro im Jahr. Sie beschließt, nach Südtirol zu ziehen und erzielt hier das gleiche Einkommen. Wie wirkt sich die Erleichterung im konkreten Fall aus?

Da sie nur 30 Prozent ihres Einkommens versteuern muss, unterliegen in diesem Fall also 30.000 Euro der progressiven Besteuerung. 70.000 Euro sind hingegen steuerfrei. Man muss kein Mathegenie sein, um zu verstehen, wie groß die Vorteile sind. Und das für diesen langen Zeitraum. Eine Einschränkung gibt es allerdings für Selbstständige. Sie dürfen in Summe nicht mehr als 200.000 Euro an Steuerersparnis haben. 

 

Was bedeutet das für die Inneneinrichterin aus unserem Beispiel?

Müsste sie ihr Einkommen aus selbständiger Arbeit normal versteuern, würde an Steuer etwas weniger als die Hälfte ihres Einkommens anfallen, also etwa 36.000 Euro. Sie versteuert aber nur 30.000 und bezahlt somit etwa 8.000 Euro an Steuern. Das heißt, ihre Ersparnis liegt bei circa 28.000 Euro für die ersten fünf Jahre und circa 21.000 Euro pro Jahr im Falle einer Verlängerung. Nach sieben Jahren würde sie die Grenze von 200.000 Euro erreichen und somit rausfallen. Sie könnte also „nur“ sieben Jahre davon profitieren. Besonders bei höheren Einkommen wirkt sich das dann schnell aus. 

Wie schon gesagt, gilt die Begrenzung der Steuerersparnis von 200.000 Euro allerdings für angestellte Arbeitnehmer nicht. Bezüglich dieser Diskrepanz im Gesetz liegen noch keine Gerichtsurteile vor, diese werden allerdings früher oder später sicherlich folgen, aber im Moment ist die Situation noch diese. 

 

Vor einiger Zeit hat man immer wieder von Südtiroler*innen gehört, die die Steuererleichterung zurück- und sogar eine Strafe zahlen mussten. Was ist da passiert?

Genau aus diesem Grund rate ich so stark zur maßgeschneiderten Analyse. Man kann in diesem Bereich, mit einigen Ausnahmen, keine verbindliche Anfrage an die Steuerbehörde stellen, die die Erleichterung nach Prüfung genehmigt, sondern macht das selbst durch eine Eigenerklärung. Man stellt also quasi selbst fest, ob man die Begünstigung in Anspruch nehmen kann. Sollte die Steuerbehörde diese aberkennen, kommt es zur Steuerrückzahlung und zu Strafen, die meist sehr hoch ausfallen. Die gute Nachricht ist: Mittlerweile ist die Begünstigung vielfach angewandt worden, deshalb gibt es mehr Erfahrung. Ein weiterer Fallstrick: Wenn jemand während seiner Zeit im Ausland weiter Verbindungen zu Südtirol behält, wie beispielsweise Tätigkeiten in Verwaltungsräten von Familienunternehmen oder Tätigkeiten in Vereinen, könnte das Einfluss auf die Anerkennung der Steuererleichterung haben. Deshalb ist die Vorab-Analyse so wichtig. Was ich noch mitgeben möchte: Für zuziehende Personen gibt es außer der Steuererleichterung auf italienische Arbeitstätigkeit noch eine weitere Begünstigung, und zwar die sogenannte Reichensteuer oder  Flat-Tax von 100.000 Euro, die auf ausländisches Einkommen ausgerichtet ist. Obwohl es sich dabei um verschiedene gesetzliche Grundlagen handelt, lohnt es sich, vor einem Umzug nach Italien prüfen zu lassen, ob das eine oder andere Gesetz zur Anwendung kommen kann. Kumulieren kann man die beiden Begünstigungen nämlich nicht.

 

Noch Fragen? Cristina Martello hat für Südstern ein Merkblatt zum „Rimpatrio“ zusammengestellt. Einfach hier klicken: Merkblatt Rimpatrio

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