Fällt dir ein Beispiel ein, wem das gelungen ist?
Margot Käßmann. Die damalige Vorsitzende der evangelischen Kirche ist angetrunken im Auto erwischt worden. Sie hatte die Größe, klar zu benennen, einen Fehler gemacht zu haben und dass das nicht duldbar sei für eine Person in ihrer Position. Sie hat es geschafft, dem Skandal vorzubeugen, in dem sie es nicht kleingeredet hat. Sie ist gestärkt da rausgegangen. Selbst ihre Kritiker zollten Respekt für ihre klaren Worte.
Du bist 27. Fällt es den Leuten schwer, von einem so jungen Menschen wie dir Tipps in puncto Auftreten und Rhetorik anzunehmen?
Manchmal ist das Alter ein Nachteil, aber nur sehr kurz. Ein Politiker merkt schnell, ob man kann, wovon man redet und ob man in der Lage ist, es praktisch umzusetzen. Am herausforderndsten sind aber nicht Politiker, sondern Juristen in Großkanzleien. Für sie ist das Alter oft entscheidend, weil sie sehr hierarchisch organisiert sind.
Sind Sie auch harte Brocken, wenn es um Rhetorik selbst geht?
Der Jurist liebt Substantivierungen. Diese führen aber immer zu Passivität. Wenn ich sage: Ich bin Rechtsanwalt bei der Firma XY und ich bin verantwortlich für Gesellschaftsrecht, dann löst das im Gegenüber nichts aus. Weil ich mir nichts drunter vorstellen kann. Das ist eine Herausforderung für Juristen. So wie sie Hierarchien verinnerlicht haben, sind sie eine gewisse Sprache gewöhnt. Das Gemeine an der juristischen Fachsprache ist, dass sie so tut als wäre sie keine. Im Gegensatz zur Fachsprache des Ingenieurs verwendet der Jurist Worte, die wir im Alltagsgespräch auch verwenden. Für den Juristen bedeuten sie jedoch was anderes.
Welche Aussagen oder Sprüche sind in der Kommunikation ein No-Go?
Was nicht geht, und das sieht man sehr oft: Dass man sich gar nicht mehr zuhört, etwa in Talkshows, wo es oft nur mehr um die Show geht, nicht um das gemeinsame Ringen um die beste Lösung. Da stimmt die Haltung nicht. Leute aus der Kommunikation ausschließen, geht auch nicht. In der Kultur ist das oft der Fall. Sich zum Beispiel ständig den Rechten zu verschließen, indem man sagt, sie dürfen nicht ins Theater. Viel wichtiger wäre es, hier in den Dialog zu treten. Sprüche, die gar nicht gehen, gibt es natürlich auch. Was angemessen ist, entscheidet sich immer an der Situation. Was aber immer schlecht ist, sind Verallgemeinerungen oder Suggestivfragen, damit werden wir unserem Gegenüber nicht gerecht.
Mit welchem Südtiroler oder welcher Südtirolerin würdest du gerne einmal arbeiten?
Um im Politischen zu bleiben: Sehr stark finde ich, was die Grundhaltung und die klaren Aussagen betrifft, Julia Unterberger. Oder Winfried Kretschmann und Norbert Röttgen auf großer Ebene in Deutschland. Und dann gibt es sicher jede Menge Führungskräfte in der Südtiroler Wirtschaft, mit denen eine Zusammenarbeit spannend wäre.
Mit wem würdest du nie arbeiten?
Mit Parteien, die meinem Wertekonstrukt widersprechen wie die AFD oder Die Linke. Auch mit dem linken Flügel der SPD arbeite ich nicht mehr zusammen.
Bist du ein politischer Mensch?
Ja, unbedingt. Politik ist letztlich ein Grundbestandteil der Öffentlichkeit. Wenn ich in Esslingen versuche, die Kultureinrichtungen zu erhalten, Finanzierungen langfristig sicherzustellen, dann ist das eine politische Tätigkeit. Politikern zu erklären, dass Kultur wichtig ist, bringt nichts. Man muss ihnen klar machen, wo der Nutzen ist. Dann funktioniert das auch.
Mit deinem Straßenkunstfestival betreibst du Kulturvermittlung.
Wir haben drei Festivals auf die Beine gestellt, in Heilbronn, Esslingen und nun kommt ein weiteres dazu. Da habe ich Führungsverantwortung und kann viel von dem, was ich gelernt habe und tagtäglich vermittle, anwenden. Ich organisiere die Finanzierung, stelle sicher, dass Künstler aller Genres vertreten sind und Kultur niederschwellig möglich wird. Nur fünf Prozent unserer Gesellschaft gehen ins Theater. Es heißt aber immer: Theater ist der Kitt unserer Gesellschaft. Das stimmt so nicht ganz, wenn wir nur einen Bruchteil der Menschen erreichen. Mit einem Straßenkunstfestival sprechen wir Leute an, die nie in ein Museum oder Theater gehen würden. Die erleben dann, dass das Spaß macht. Da kann ich auch nur fünf Minuten zuschauen, und muss nicht eine Stunde ruhig auf dem Stuhl sitzen. Kultur genießen muss man üben wie das Trinken eines guten Weins. Nach dem Üben stellt sich dann der Genuss ein.