„Ich habe lange ausgeschlossen, in Südtirol zu arbeiten”

Freitag, 07.10.2022
550 Mitarbeiter*innen aus der ganzen Welt arbeiten an der Eurac. Südstern Katharina Crepaz ist einer von ihnen. Sie ist nach langjähriger Erfahrung im Ausland zurückgekehrt

 

Katharina Crepaz, Jahrgang 1986, ist seit März 2020 Senior Researcher am Institut für Minderheitenrecht und an der Technischen Universität München als Privatdozentin im Bereich Gesundheit und Diversität tätig. Forschung als Berufsziel hat sich mit der Zeit entwickelt, erzählt sie. 

„Ich werde oft gefragt: Was machst du eigentlich genau? Unter Forscher*innen stellen sich viele ja in erster Linie jemanden im weißen Arbeitskittel mit Reagenzglas und Pipette in der Hand vor. Die Sozialwissenschaft funktioniert ein bisschen anders, wir interessieren uns für soziale Zusammenhänge. Ich beschäftige mich mit der Frage, wie Minderheiten in der Gesellschaft repräsentiert werden und partizipieren können. Da geht es einmal um rechtliche und politische Belange nationaler Minderheiten, aber wir dehnen das Thema aus und beschäftigen uns auch mit Migration und schauen, ob und welche Ansätze aus der Minderheitenforschung auch im Bereich Migration zielführend sein könnten. Dazu führen wir u. a. vergleichende Politikfeldanalysen, Surveys und Experteninterviews durch, nutzen also unterschiedliche empirische Forschungsmethoden. Dieser Ansatz garantiert, dass wir nicht nur über die Menschen forschen, mit denen wir uns beschäftigen, sondern auch mit ihnen. Und dann ist ein Ziel, Empfehlungen und Best-Practice-Methoden für politische Entscheidungsträger zu entwickeln, also über die Grundlagenforschung hinauszugehen und angewandte Forschung zu betreiben. Das ist ein wichtiger Ansatz der Eurac. 

Südtirol und Forschung bringen viele nicht gleich zusammen. Ich habe ja selbst lange ausgeschlossen, einmal hier zu arbeiten. Ich wollte weg, andere Länder kennenlernen. Mit der Zeit hat sich meine Haltung verändert, und ich bin mit dem Mobilitätsprogramm für Forscher der Provinz Bozen zurückgekommen. Eine entscheidende Rolle dabei haben die Themen und die Ausrichtung unseres Instituts und die Interdisziplinarität an der Eurac gespielt. An unserem Institut arbeiten Juristen, Politologen, Anthropologen, Linguisten und dann sind da noch die vielen anderen Institute und Center, mit denen wir zusammenarbeiten. Das gibt es oft nicht einmal an größeren Universitäten, dass man Fragestellungen aus so unterschiedlichen Blickwinkeln zusammen erforschen kann. Interdisziplinarität ist zwar herausfordernd, aber gerade für die Beschäftigung mit den großen gesellschaftlichen Zukunftsfragen unabdingbar. 

© Silbersalz

 

Ein Thema, das mich neben der Minderheiten- und Migrationsforschung auch sehr interessiert, und das auch der Fokus meiner Habilitation war, ist Gesundheit und Diversität. Dieses Spannungsfeld wird uns in Zukunft noch mehr begleiten, insbesondere durch die Covid-19-Pandemie. Da geht es um Fragen gesundheitlicher Ungleichheit, aber auch um Resilienzfaktoren und um die zukünftige Ausgestaltung unserer Gesellschaft im Sinne eines „guten Lebens“ für alle. 

Wenn ich heute zurückschaue, dann war mein Interesse für Sprachen und Diversität schon früh da. Im Politikstudium konnte ich Sprache dann noch vor einem anderen Hintergrund betrachten: der Herausforderung, wie Menschen sich in ihrer Vielfalt ausleben können, und wie gleichzeitig gesellschaftlicher Zusammenhalt gesichert werden kann. Ich bin immer gern gereist, mehrere Sprachen zu sprechen ist dabei natürlich ein Vorteil. In der Forschung sind eine internationale Ausrichtung und Mobilität Voraussetzungen. Internationale Tagungen finden grundsätzlich auf Englisch statt, auch die meisten Publikationen werden auf Englisch verfasst. 

Sprache öffnet Tore, das erleben wir in Südtirol besonders. Zwischen deutsch-, italienisch- und ladinischsprachigen Südtirolern ist das Zusammenleben mittlerweile gefestigt. Natürlich wissen wir, dass es international abgesichert ist, aber am Ende lebt es davon, dass die Menschen es auch ausfüllen. Die Brückenfunktion zwischen alpin und mediterran, die Sprachen, das Klima, das sind schon Alleinstellungsmerkmale in einem Land, das viel vom Tourismus lebt. Trotzdem ist Zusammenleben etwas, an dem man ständig arbeiten muss. Auch weil es durch Migration und andere gesellschaftliche Veränderungsprozesse einem kontinuierlichen Wandel unterworfen ist. Menschen, die längere Zeit im Ausland waren, haben einen anderen Blickwinkel. Das kann durchaus hilfreich sein, um eine Gesellschaft voranzubringen und das Zusammenleben und die Mehrsprachigkeit zu sichern und zu fördern.” 

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