Der Herzmensch

Dienstag, 02.05.2023
Beim Health & Science Forum am 12. Mai geht Kardiologe Sebastian Reinstadler auf die Herzgesundheit ein und erzählt, warum die Therapie des akuten Herzinfarkts eine Erfolgsgeschichte ist. Wir haben vorab mit dem Südstern gesprochen.

 

 

So viel sei verraten: Bei Ihrem Vortrag blicken Sie zunächst einmal zurück. Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auf dem Gebiet der Herzerkrankungen getan?

Da fangen wir am besten mit dem teuersten Herzinfarkt aller Zeiten an. 1955 erlitt US-Präsident Dwight D. Eisenhower in seiner Amtszeit einen Herzinfarkt. Das Ereignis brachte die Börsen zum Absturz. Warum? Ein Herzinfarkt ging damals in fast 50 Prozent der Fälle tödlich aus. Man konnte nicht viel mehr machen, als abzuwarten. Das verunsicherte die Gesellschaft enorm. Über die Jahrzehnte gab es dann einen enormen Fortschritt. Was heute selbstverständlich ist, war in den 60er- und 70er-Jahren eine Sensation: Man etablierte Stationen, auf denen Betroffene gemeinsam behandelt und überwacht werden. Das brachte einen enormen Benefit und führte zur Entwicklung eines systematischen Behandlungspfads. Später dann wurden die sogenannten CCU, die Coronary Care Units eingerichtet, mit der Möglichkeit, bösartige Herzrhythmusstörungen zu behandeln. Diese führen ja unbehandelt häufig zum Tod. Auch das war eine Revolution. Heute ist die Standardtherapie beim klassischen Herzinfarkt in den allermeisten Fällen das Setzen eines Herzkatheters. Das verbesserte die Prognose ab der frühen 2000er Jahre zunehmend. Wenn man sich das letzte Jahrzehnt anschaut, dann lässt sich feststellen, dass wir auf einem extrem guten Behandlungsniveau angekommen sind, aber keine großen Sprünge mehr gemacht wurden. 5 bis 10 Prozent der Betroffenen sterben in den ersten 30 Tagen, das ist als Zahl konstant geblieben. Deshalb werde ich auch auf die Ansätze wie das in Zukunft weiter verbessert werden kann. Ein Forschungsziel, das wir hier an der Uniklinik in Innsbruck verfolgen. 

 

Was kann jeder von uns tun, um sein Risiko zu verringern?

Herzkreislauferkrankungen sind für 40 Prozent der Todesfälle in der EU verantwortlich. Deshalb kann man nicht oft genug auf Risikofaktoren hinweisen. Am Ende ist es relativ banal: 90 Prozent der Herzinfarkte oder mehr werden durch neun Hauptrisikofaktoren erklärt. Will man sein Risiko drastisch senken, muss man hier ansetzen. Dazu gehören: Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Übergewicht, mangelnde körperliche Aktivität, erhöhte Cholesterinwerte, psychosozialer Stress wie Depressionen oder Angst. Und etwas genauer: Raucher erleiden im Schnitt zehn Jahre früher einen Herzinfarkt und haben insgesamt ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko. Bei Cholesterin gibt es oft zwar familiäre Risiken, aber es lässt sich medikamentös gut behandeln. Moderate und regelmäßige Bewegung hingegen – es muss kein Extremsport sein - hat einen sehr positiven Effekt. Das über die Jahrzehnte aber in sein Leben einzubauen, ist mit Sicherheit die größte Herausforderung, vor der wir alle stehen. 

 

Zuletzt hört man häufig vom Broken Heart Syndrom, das von Stress ausgelöst werden kann. 

Wir lernen dieses Krankheitsbild in den vergangenen Jahren immer mehr zu verstehen. Es präsentiert sich wie ein klassischer Herzinfarkt, hat damit aber weniger zu tun. Zu 90 Prozent sind Frauen betroffen, psychische Belastung kann ein Trigger sein, muss es aber nicht. 

Die Uniklinik Innsbruck nimmt im Bereich der Gendermedizin eine Vorbildstellung ein. Dass sich ein Herzinfarkt bei Frauen oft anders äußert als bei Männern, ist heute zum Glück in der breiten Öffentlichkeit ein Stück weit angekommen. 

Den Herzinfarkt mit klassischem Brustschmerz gibt es bei beiden Geschlechtern. Aber da sind auch große Unterschiede: Frauen haben häufiger nicht diesen typischen Schmerz, der sofort an einen Infarkt denken lässt. Bei ihnen kann er sich auch durch Übelkeit oder Bauchschmerzen manifestieren. Unterschiedlich ist auch der Zeitpunkt: Bei Frauen tritt er im Schnitt fünf bis zehn Jahre später auf. Das hat unter anderem hormonelle Gründe, auch die Arterienverkalkung tritt nicht so früh auf. Frauen holen im späteren Lebensalter wieder auf und haben dann entsprechend häufiger Infarkte. 

 

Wer einen Herzinfarkt erleidet, wird oft aus der Bahn geworfen. 

Viele sind verständlicherweise sehr verunsichert. Sie fragen sich, was sie machen dürfen und was nicht. Die kardiovaskuläre Rehabilitation ist deshalb sehr wichtig. Da lernen Betroffene alles über den Herzinfarkt, wie er entsteht, was man in Zukunft machen soll, warum Tabletten nötig sind. Die gute Nachricht ist: Am Ende dürfen sie fast alles wieder machen. Sie sollen sogar körperlich aktiv sein. 

 

Was fasziniert Sie so an der Herzgesundheit?

In der Kardiologie gibt es ein sehr großes Spektrum an verschiedenen Krankheiten. Vom Herausfinden, was das Problem ist, bis zur Therapie kann man in diesem Fach sehr viel selbstständig machen und den Patienten schnell etwas Gutes tun. Sehr häufig kommen sie schwer krank und schmerzgeplagt in die Klinik. Dann setzt die Akutbehandlung ein. Wenn das gelingt, hat man innerhalb von einer halben Stunde einen beschwerdefreien Patienten vor sich liegen, der fragt, wann er heimgehen kann. Sehr oft finden Betroffene wieder in das normale Leben zurück – das ist schön und gibt mir viel zurück.

 

Hier geht’s zu Programm und Anmeldung zum 9. Südstern Health & Science Forum: http://www.planetmedizin.com/

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