Meine wichtigste Lektion: Eigene Entscheidungen treffen

Dienstag, 08.08.2023
Aufwachsen im gut besuchten Gasthaus und auf einem abgeschiedenen Bauernhof – die Kindheit von Südstern Brigitta Fink ist von Gegensätzen geprägt. Sie wurde aus Langeweile kreativ, nähte lieber, als Schafe zu hüten, und ging früh weg von daheim, um ihren Traumberuf zu erlernen. Im Job-Protokoll erzählt die Kostümbildnerin, warum sie historische Stoffe vorzieht und Veränderung eine Konstante in ihrem Leben ist.

 

 

„Meine Eltern führten einen Gastbetrieb. Als Kind in den 70er-Jahren in der Gastronomie aufzuwachsen, bedeutete, immer unter Menschen zu sein und wichtige Feste mit den Gästen zu feiern. Meine Schwester und ich fanden das meistens auch lustig. Besonders die Leute aus Wien haben es mir damals angetan. Da konnte ich nicht wissen, dass ich selbst einmal in der Stadt leben würde.  

Auf die aufregenden Jahre in der Gastronomie folgten ruhigere Zeiten. Meine Eltern ließen die Arbeit im Gasthaus sein, und mein Vater kaufte ein Bauernhaus. Es lag mitten im Nirgendwo, der nächste Ort war drei Kilometer entfernt. Das war ein Einschnitt – von der Welt, in der immer was los war, hinein in die Einöde. 

Unsere Eltern haben uns das zugemutet, es war nicht das einzige Mal, dass wir umziehen, die Schule wechseln und uns aufs Neue zurechtfinden mussten. Unsere Mama war eine moderne Frau. Mit dem Leben auf dem Bauernhof wurde sie nicht glücklich. Also sind wir nach sechs Jahren wieder von dort weg. Meine eigenen Entscheidungen zu treffen und einfach eine starke Frau zu sein, das habe ich von ihr. 

Unsere Kindheit war nicht von vollen Nachmittagen mit Musikschule und irgendwelchen Kursen geprägt. Oft war uns langweilig. Am Nachmittag mussten wir manchmal in der Landwirtschaft mithelfen, was wir gar nicht mochten. Da fing das Wegträumen in andere Welten an, wie aus wenig Vorhandenem etwas zu basteln. Bald wagte ich mich an Mamas Nähmaschine. Eine Schneiderlehre zu machen war schnell eine ernste Überlegung. 

Foto: Der Stille Berg: Claudia Cardinale & Georg Kaser © Brigitta Fink

 

Leider waren kaum Meister zu finden, die Lehrlinge ausbilden. Also bin ich mit 15 an die Textilfachschule Dornbirn. In Vorarlberg war die Jugendkultur viel stärker ausgeprägt, es gab Strömungen, die ich beobachten konnte, das kannte ich von Südtirol gar nicht. Die Schule war sehr aufs Handwerk ausgerichtet. Die wenigen Unterrichtsstunden im Fach Modedesign haben mir so gut gefallen, dass ich nach dem Abschluss ans Theater wollte, um mich weiter auszubilden. Nur wie?

Im Buch „Südtirol von Außen“ von Inga Hosp las ich zufällig einen Beitrag von Frida Parmeggiani, der bekannten Kostümbildnerin aus Meran. Es war das erste Mal, dass ich überhaupt von diesem Berufsbild hörte. Über Kontakte kam ich an eine Kostümbildnerin in Bozen und durfte mit ihr ein Projekt realisieren. Sie öffnete mir dann die Tür nach Wien, und ich fing im Theater in der Josefstadt an. Später kam ich als als Kostümbildassistentin zum Film und mache nun nach vielen unterschiedlichen Projekten selbst Kostümbild.

Sehr prägend und lehrreich war die Zusammenarbeit mit verschiedenen Kostümbildnerinnen, wie Birgit Hutter, eine sehr renommierte Kostümbildnerin in Wien, Lisy Christl, mit der ich große internationale Projekte machen durfte wie „Wolfszeit“, „John Rabe“ und „Anonymous“ und die bereits verstorbene Kostümbildnerin Moidele Bickel, die für „Das weiße Band“ die Kostüme entwarf. Wir arbeiteten unter der Regie von Michael Haneke, an dessen Filmsets mit großer Konzentration und Ruhe gearbeitet wurde.

Foto links: Der Stille Berg, © Brigitta Fink

Foto rechts: Wie Brüder im Wind, © Nadine Poncioni

 

Ich werde oft gefragt, wie ich zu den Ideen für die Kostüme komme. Nachdem ich das Drehbuch gelesen habe, beginne ich meistens mit einer längeren Recherche. Mit diesem Wissen versuche ich, den Look der Figuren und des Projekts bildlich darzustellen – anhand von Fotos, Zeichnungen, Collagen, Stoffmustern, verpackt in ein Moodbook. Das ist die Basis für erste Gespräche mit der Regie, in denen ich meine Idee vermittle und zu überzeugen versuche. Dabei gilt es auch, den Cast mit einzubeziehen und gemeinsam zu entwickeln, was für die Rolle unterstützend und wichtig ist. In diesem Beruf geht es nicht nur um Kreativität, genauso wichtig sind Menschenkenntnis, Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit und Ausdauer, da die Tage sehr lang sein können.

Bei historischen Stoffen fühle ich mich am besten aufgehoben. Vor allem Geschichten aus bewegten Zeiten interessieren mich. Vielleicht ist es die Vielfalt, die den Beruf so spannend macht. Kein Projekt ist wie das andere. Auch wenn ich mich bei historischen Figuren gerne an Vorlagen festhalte, zieht sich ein gewisser Stil und Geschmack durch. Bei zeitgenössischen Projekten versuche ich, das zu unterbinden und sauge Looks vom Straßenbild, Trends und Stile auf. 

Leider lassen sich Theater und Film beruflich schwer vereinen. Nicht nur, weil es zwei so unterschiedliche Branchen sind, es ist auch wegen des Faktors Zeit. Theater haben meist lange Vorlaufzeiten und Filmprojekte werden oft sehr kurzfristig finanziert und somit überschneiden sich Anfragen dann oft.

Das Unstete in meinem Leben setzt sich gewissermaßen bis heute fort. Da ich immer wieder gerne auch internationale Projekte mache, ist das mit häufigen Standortwechseln verbunden. Aber wie heißt es so schön: Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung. 

Die Pausen verbringe ich gerne in Südtirol. Mein Partner lebt in Bozen, meine Schwester am Ritten, auch ich habe dort eine kleine Bleibe, einen Rückzugsort und ja, auch immer noch meine Heimat. In Südtirol aufgewachsen zu sein, empfinde ich als Privileg. Trotzdem war Weggehen und Herumkommen für mich immer wichtig. Die Wiener sagen oft zu mir: Was machst du hier? Dann antworte ich: Woanders ist es auch schön.“

Foto © MR Film, Petro Domenigg

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