Von der Vision zur Realität

Dienstag, 16.01.2024
Er arbeitet daran, wie Autos von BMW in der Zukunft aussehen werden. Südstern Simon Kafmann, Automobildesigner beim großen bayerischen Hersteller, hat seinen Kindheitstraum zum Beruf gemacht. Im Gespräch erzählt der 27-Jährige, warum Vision im Automobildesign nur in Verbindung mit der Vergangenheit geht, was ein Designer braucht, um voranzukommen und was das Wichtigste ist, das er bisher in seiner Karriere gelernt hat.

 

 

Simon, du bist Produkt- und Automobildesigner. Wie genau kann man sich deine Arbeit vorstellen?

Design ist ein riesengroßer Bereich. Etwas Grundlegendes haben aber alle Designer gemeinsam: dass man Ideen und Visionen auf Papier bringt und sich mit Sachen beschäftigt, die es noch nicht gibt und versucht, diese umzusetzen. In meinem Job bei BMW geht es dabei um das Automobildesign. Ich beschäftige mich mit sogenannten Konzept- und Visionsautos, anhand derer wir aufzeigen, wohin der Weg des Konzerns gehen kann und was der nächste Schritt für BMW ist. Die Autos, die wir in unserer Abteilung designen, unterscheiden sich stark von jenen, die gerade auf der Straße unterwegs sind und die man kaufen kann. Bei Konzept- und Visionsfahrzeugen werden neue Technologien erprobt und neue Designrichtungen entwickelt, welche die Marke in der Zukunft prägen und das Unternehmen einen Schritt weiter bringen.

 

Wie würdest du die Vision, an der du mitarbeitest, mit wenigen Worten beschreiben?

BMW zeigte auf der diesjährigen IAA Mobility das Konzeptfahrzeug BMW Vision Neue Klasse, welches gut aufzeigt, wie man mit Frische und moderner Technologie eine Marke in die Zukunft führt. Innovativ, aber menschennah.

 

War Design immer schon dein Berufsziel?

Automobildesign ist kein Berufsbild, das man einfach so irgendwo findet. Vor allem nicht, wenn man nicht weiß, wie der Werdegang dorthin überhaupt aussieht. Ich wusste anfangs nicht mal, dass dieser Beruf existiert. Auch wenn ich als Kind bereits leidenschaftlich gerne gemalt und gezeichnet habe. Von Autos war ich auch immer schon begeistert und als ich mit elf Jahren auf der Kinderspeisekarte in einem Restaurant herumkritzelte, malte ich so auch Autos. Nach einem ironischen Kommentar meiner Mutter, ich solle die Zeichnungen mal zu einer Autofirma hinschicken, habe ich in meiner Naivität einfach eine Email an den Designchef von BMW geschickt.

 

Mit Erfolg?

Irgendwann kam ein Brief zurück – vom Designchef persönlich! Er meinte, dass meine Bilder cool seien und hat mir Wege aufgezeigt, wie man sich in diesem Feld weiterbilden kann. Da ich damals noch recht jung war, hat es mich zwar äußerst gefreut, aber recht ernst habe ich es noch nicht genommen. Aber irgendwo im Hinterkopf blieb das Thema aktuell. Nach der Oberschule habe ich dann beschlossen, Produktdesign in Graz zu studieren. Während dieser Zeit habe ich ein Praktikum bei MINI und BMW gemacht und dann auch das Bachelorprojekt mit der BMW Group entwickelt. Meinen Master in Automobildesign habe ich in Schweden absolviert, wo ich auch ein halbes Jahr bei Volvo und Polestar gearbeitet habe. Vor allem in dieser Zeit konnte ich mich intensiv mit dem Thema Design auseinandersetzen und auch an Design-Wettbewerben teilnehmen. Ein Highlight war sicherlich, dass ich mit dem Young Designer Award 2019 in Paris ausgezeichnet wurde. Als jedoch das Studium zu Ende war, kam Corona – keine leichte Zeit, um ins Berufsleben zu starten. Offene Stellen bei Automobilfirmen gab es keine, weshalb ich mich erstmal selbständig gemacht habe. Als Freelancer habe ich Produkte in den unterschiedlichsten Branchen designt, von Jet-Skis, Motorrädern und Booten bis hin zu Apps und Architektur. Dann kam ein Anruf mit einem Angebot von BMW und seit eineinhalb Jahren bin ich dort in der Designabteilung für Konzeptfahrzeuge und Sonderprojekte.

 

Foto: Giorgia Antiga

 

Warst du schon immer einer, dem wichtig war, dass Dinge nicht nur funktional sind, sondern auch gut aussehen?

Der Drang nach Harmonie und ein Auge für Details sind sicherlich Eigenschaften, die in der Natur von Designern und Gestaltern liegen. Die Funktion ist für mich zwar immer Grundvoraussetzung eines Produkts, aber die Ästhetik hat sicherlich auch einen hohen Stellenwert.

 

Was sind die Herausforderungen im Design von Autos?

Autos gehören zu den komplexesten Produkten, die es gibt. Da kommen extrem viele Bereiche zusammen. Durch die technischen und gesetzlichen Anforderungen bleibt nur ein kleiner Spielraum, um sich von anderen Unternehmen abzusetzen und eine Innovative Formsprache, Ästhetik und Nutzererlebnis zu entwickeln. Design ist immer noch Kaufgrund Nummer eins. So muss die Gestaltung genau eine Zielgruppe ansprechen und die Emotionen des Autos nach außen tragen, um erfolgreich auf dem Markt zu sein. Am Ende ist ein Auto eine Ansammlung von vielen Produkten. Die Herausforderung ist, alle Komponenten ästhetisch und funktional unter einen Hut zu bekommen.

 

Muss man die Marke immer im Hinterkopf behalten, wenn es um Innovation geht?

Die Verbindung und Treue zur Marke sind ein Muss. Bei BMW sind es zum Beispiel die ikonischen Elemente, die sich seit jeher am Fahrzeug wiederfinden, die „Nieren”, die Doppelsignatur im Scheinwerfer, der Hofmeisterknick, usw. – wenn man die sieht, weiß man sofort, von wem das Auto ist. Andererseits muss man beim Design seiner Zeit auch voraus sein und Dinge neu denken und wagen. Es ist ein schmaler Grat zwischen Tradition und Innovation, um das Design einer Marke weiterzuentwickeln, sodass es vom Kunden und der Fan-Community akzeptiert wird.

 

Denkt man Farbe im Designprozess schon mit?

Farbe und Material sind sicherlich ein großer und wichtiger Teil des Designprozesses. Wenn wir aber am Anfang ein Auto designen, dann machen wir es meistens in neutralen Grautönen, damit man sich auf die Formen und Oberflächen konzentrieren kann. Ein Design muss für sich funktionieren, ganz unabhängig von der Farbe, die ein Produkt dann hat. Die Farbe hat eher die Aufgabe, das zu unterstützen. Dann ist es auch eine Geschmacksfrage bei Kunden.

 

Was muss ein Designer mitbringen, um voranzukommen?

Das Wichtigste für Designer ist, offen zu sein für alles, was man erlebt und sieht, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und alles aufzusaugen. Je größer diese Bibliothek an Bildern im Kopf ist, desto mehr kann man bei der Arbeit damit spielen.

 

 

Wie stark kommt künstliche Intelligenz im Designprozess zum Einsatz?

KI wird ein weiteres Tool, das einen dabei unterstützt, die eigenen Fähigkeiten besser zu nutzen und die eigenen Möglichkeiten zu erweitern. Es wird den kreativen Bereich nicht ersetzen, aber sicherlich bereichern.

 

Sind Automobildesigner Künstler?

Der Beruf ist eine Mischung aus Künstler und Ingenieur. Man muss offen sein für Neues und out of the box denken, wie in jedem kreativen Beruf. Der Unterschied zum Künstler ist, dass wir zum einen die Emotionen ansprechen und einen Ausdruck schaffen, aber zum anderen auch die Funktion komplett integrieren. Es muss auch ein Produkt entstehen, das herstellbar ist, verschiedensten Anforderungen standhält und wirtschaftlich Sinn für das Unternehmen macht. Ein Design, das nicht funktioniert, ist keines. Dann wäre es nur ein Kunstobjekt. 

 

Was sind deine Designvorbilder?

Die großen Autodesignstudios der 70er- und 80er-Jahre. Heute hat jede Autofirma ihre eigene Designabteilung. Das war früher anders, da gab es Büros, die für alle gearbeitet haben. So wie das Designstudio Bertone – dieses Studio hat zu seiner Zeit ikonische und innovative Autos designt, die noch heute die Designwelt prägen und inspirieren.

 

Hat dich dein Südtirolersein als Designer geprägt?

Wir Südtiroler haben den Vorteil, zwischen Grenzen aufzuwachsen und mehrere Kulturen von klein auf mitzubekommen. Ich glaube, dadurch wird man offener. Die „italienische Gelassenheit” und die „deutsche Genauigkeit” – das ist eine gute Mischung.

 

Was war für dich bisher das Wichtigste, das du in deiner Karriere gelernt hast?

Dass man alleine nicht viel erreichen kann. Wenn wir an einem Projekt arbeiten, sind am Anfang vielleicht zehn Personen beteiligt und am Ende 100. Da muss man sich koordinieren und absprechen. Jeder ist Spezialist und Experte in seinem Bereich, da sieht man erst, wie viel Knowhow da zusammenkommt. Das bringt niemand alleine mit.

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