„Die nachhaltige Finanzierung hat sich zu einem wichtigen Trend entwickelt”

Donnerstag, 28.03.2024
Elisabeth Gsottbauer ist Professorin am Kompetenzzentrum für ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit an der Freien Universität Bozen. Beim traditionellen Südstern Banking & Finance Forum am Karfreitag in Bozen wird sie unter anderem über Unternehmensfinanzierung nach ESG-Kriterien sprechen. Im Fokus steht dabei die Frage, ob ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit überhaupt vereinbar ist. Wir haben ihr vorab fünf Fragen gestellt.

 

 

 

Elisabeth, in kurzen Worten: Was bedeutet es, eine Unternehmensfinanzierung nach ESG-Kriterien vorzunehmen?

Eine Unternehmensfinanzierung nach ESG-Kriterien vorzunehmen, bedeutet, dass bei der Finanzierung oder Investition in ein Unternehmen nicht nur finanzielle Gesichtspunkte berücksichtigt werden, sondern auch ökologische, soziale und Governance-Aspekte (abgekürzt ESG). Konkret heißt das: Ökologische Kriterien beziehen sich darauf, wie ein Unternehmen wirtschaftet, z.B. die Emissionen eines Unternehmens. Soziale Kriterien bewerten, wie verantwortungsvoll sich ein Unternehmen gegenüber Mitarbeitern, der Gesellschaft verhält, etwa bezüglich der  Arbeitsbedingungen. Und Governance-Kriterien beurteilen die Unternehmensführung, etwa Antikorruptionsmaßnahmen oder auch Aktionärsrechte.Bei einer ESG-konformen Finanzierung werden Unternehmen danach bewertet, wie gut sie in all diesen drei Bereichen abschneiden. Investoren können also neben der Rendite zunehmend auch solche „nicht-finanziellen“ Kriterien berücksichtigen. 

 

Das Thema des diesjährigen Events ist nachhaltige Finanzierung: Wie weit ist unsere Gesellschaft in diesem Bereich?

Die nachhaltige Finanzierung hat in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen und sich zu einem wichtigen Trend entwickelt. Auf der einen Seite ist das Volumen nachhaltiger Investments stark gestiegen. Das bedeutet, viele Investoren integrieren zunehmend ESG und insbesondere Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Anlagestrategien. Zusätzlich zeigt jede Umfrage unter Privatanlegern deutlich den Wunsch, ihre Ersparnisse entsprechend ihren Werten und grünen Präferenzen anzulegen, insbesondere bei jüngeren Anlegern. Ein großes Problem stellt allerdings „Greenwashing" dar – wenn Finanzprodukte fälschlicherweise als „grün" oder nachhaltig vermarktet werden, ohne dies wirklich zu sein. Um die Finanzwelt wirklich und weiter nachhaltiger zu machen, benötigt es einheitliche Standards, Regulierungen und mehr Transparenz. Das starke Wachstum und der Appetit der Anleger zeigen aber das große Potenzial dieses Sektors.

 

Wie bist du zu dem gekommen, was du heute machst? 

Ich habe mich bereits in meinem Grundstudium in Innsbruck für Nachhaltigkeitsthemen und Umweltpolitik interessiert, aber es gab damals eigentlich sehr wenig Kurse dazu. Daher habe ich mich dann für ein Doktorat am Institut für Umwelt und Technologie in Barcelona entschieden, wo ich mich auf Umweltökonomie spezialisiert habe. Nach meiner Promotion hatte ich die Möglichkeit, als Postdoktorandin an exzellenten Forschungseinrichtungen wie der ETH Zürich, in Cambridge sowie an der London School of Economics zu arbeiten, und war dort auch immer in interdisziplinären Forschungsgruppen im Bereich Umwelt und Klimawandel eingebettet.

In meiner Forschung befasse ich mich zentral mit der Frage, durch welche politischen Maßnahmen und Interventionen wir nachhaltiges Verhalten bei Konsumenten, Investoren und Unternehmen fördern können. Ein Teil meiner Arbeit beschäftigt sich auch damit, wie sich Auswirkungen des Klimawandels und Umweltverschmutzung direkt auf unsere Entscheidungen auswirkt.

Ich finde es sehr spannend, an diesen Themen zu forschen, da mich zum einen die verhaltensökonomische Seite interessiert, wie Menschen Entscheidungen treffen und wie man sie zu mehr Umweltbewusstsein motiviert. Zum anderen finde ich es spannend, dass meine Arbeit eine große politische Relevanz hat. Denn wenn wir verstehen, wie nachhaltige Entscheidungen getroffen werden, lassen sich daraus zielgerichtete Politiken und Regulierungen entwickeln.

 

Foto: Freie Universität Bozen

 

In einer Studie hast du dich damit beschäftigt, inwieweit sich Umweltverschmutzung auf die Team-Performance auswirkt. Kaum zu glauben, dass da ein Zusammenhang besteht?

Auch wenn es auf den ersten Blick kaum zu glauben ist, gibt es heutzutage starke Evidenz dazu, dass Luftverschmutzung, insbesondere die Belastung durch Feinstaub, Stickstoffoxide und Ozon die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern deutlich beeinträchtigen kann. So haben zum Beispiel mehrere Studien gezeigt, dass hohe Luftverschmutzung die Produktivität in Routinejobs wie bei Erntehelfern oder Paketzustellern signifikant reduzieren kann. In unserer Studie haben wir dann untersucht, wie sich Luftverschmutzung nicht nur auf körperliche Tätigkeiten auswirkt, sondern auch auf kognitiv anspruchsvolle Aufgaben. Insbesondere haben wir auch die Leistung von Teams bewertet, da die moderne Arbeitswelt oft auch Teamarbeit aufgebaut ist.

In der Studie verwenden wir Beobachtungen von über 15.000 Teams, die an sogenannten Escape Room Spielen in London teilgenommen haben. Bei den Spielen mussten Teams innerhalb einer vorgegebenen Zeit durch Lösen von Rätseln und Puzzeln aus einem Raum „entkommen", als Proxy für kognitive Teamarbeit unter Zeitdruck. Unsere Resultate zeigen, dass bei hoher Luftverschmutzung die Teams durchschnittlich 5% mehr Zeit oder etwa drei Minuten länger benötigen, um die Rätselaufgaben zur Flucht aus dem Raum zu lösen. Der negative Effekt der Luftverschmutzung auf die Teamleistung war dabei nicht linear, sondern trat erst ab sehr hoher Schadstoffkonzentration auf. Insgesamt bedeuten unsere Resultate, dass selbst kurzfristige Belastungen die Kreativität, Kommunikation und Zusammenarbeit in Teams erheblich stören können.

 

Ein weiteres Thema, zu dem du forschst, ist die Sinnhaftigkeit der Arbeit. Was hast du hier herausgefunden und inwieweit hat auch dieses Thema mit Nachhaltigkeit zu tun?

In unseren Studien haben wir untersucht, ob Arbeitnehmer bereit wären, auf Gehalt zu verzichten, wenn ihre Tätigkeit einen zusätzlichen Nutzen für die Allgemeinheit generiert, das sind zum Beispiel Jobs im Gesundheitssektor, Bildungsbereich, soziale Berufe aber auch Grüne Jobs im Bereich erneuerbare Energien. Wir finden, dass es für 44% der Befragten wichtig ist, dass ihre Arbeit sinnvoll und der Gesellschaft dienlich ist. Diese Gruppe wäre im Durchschnitt auch bereit, auf rund 1.000 Euro Jahresgehalt zu verzichten, um eine solche sinnstiftende Tätigkeit auszuüben. Dieser Aspekt ist gerade im Kontext von „Green Jobs" und nachhaltiger Wirtschaft relevant. Menschen, denen Sinnstiftung am Arbeitsplatz wichtig ist, werden tendenziell offener für Berufe sein, die der Umwelt und Nachhaltigkeit dienen, was wiederum dazu beitragen kann, die Lücke bei grünen Arbeitsplätzen zu schließen.

 

Key facts zum Südstern Banking & Finance Forum 2024:

 

Wir freuen uns auf euch!

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