Eine Willkommenskultur etablieren

Mittwoch, 10.04.2024
Arbeitskräfte zu gewinnen und ihnen den Start in Südtirol möglichst einfach zu machen – das ist das Ziel der neuen Informationsplattform Work in Südtirol – ein Projekt der Handelskammer Bozen. Die Plattform versteht sich als Anlaufstelle für Fragen zum Arbeiten und Leben in Südtirol. Ein Thema, das auch viele Südsterne interessiert, die gerne zurückkommen würden, wenn denn die Rahmenbedingungen stimmen… Wir haben Irmgard Lantschner, Direktorin des Amtes für Innovation und Unternehmensentwicklung zum Projekt befragt

 

 

 

Work in Südtirol ist eine Informationsplattform für das Leben und Arbeiten in Südtirol. Warum hat die Handelskammer das Thema zu ihrem Jahresmotto ausgegeben?

Die Politik, die Verbände und auch wir als Handelskammer haben verstanden, dass Südtirol der Fachkräftemangel auf den Kopf fällt. Wir konkurrieren weltweit um Arbeitskräfte – und deshalb müssen wir Maßnahmen setzen. Lange glaubte man, das Problem betreffe nur Akademikerinnen und Akademiker. Das Gegenteil ist der Fall, es zieht sich durch alle Berufe. Nur ein Beispiel: Es gibt Tischlergesellen, die gehen nach Wien, um dort zu arbeiten. 

Im Ausland Erfahrungen sammeln ist ja per se nicht schlecht, das begrüßen wir auch. Das Problem ist aber, dass die jungen Leute sehr oft nicht mehr zurückkommen. Das hat für Südtirol Ausmaße angenommen, die bemerkenswert sind. 
 

Die Handelskammer behandelt das Thema aus der Sicht der Betriebe. 

Ja, das ist unser Auftrag, obwohl dieses Problem über die rein wirtschaftliche Dimension hinausgeht und uns als gesamte Gesellschaft betrifft. Denn wenn die Betriebe keine Mitarbeiter finden, und es quer durch die Branchen geht, dann ist man nicht mehr in der Lage, bestimmte Aufträge abzuwickeln und die Wettbewerbsfähigkeit ist in Gefahr. Für unsere Betriebe geht es darum, auch in der Zukunft lebensfähig zu sein.  

 

Was gilt es zu tun?

Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht, von einem Angebots- zu einem Nachfragemarkt. Wir versuchen, die Betriebe dahingehend zu sensibilisieren. Sie müssen Zeit und Energie investieren, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Viele Betriebe stecken noch in traditionellen Denkmustern fest und ermöglichen jungen Mitarbeitern wenig Entscheidungsspielraum. Das brauchen die jungen Leute aber. Es reicht nicht, Kampagnen zu fahren, dass es so tolle Betriebe im Land gibt. Der Unterbau muss auch stimmen. 

 

Es geht also vor allem um die Ansprache neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Wir wollen die Unternehmen sensibilisieren und darauf aufmerksam machen, was die junge Generation braucht. Sie braucht mehr Zeit, mehr Aufmerksamkeit und mehr Wertschätzung. Die jungen Leute wollen mitgestalten. Der Recruiting-Prozess hat sich geändert. Auf Bewerbungen muss man gleich spontan reagieren, da kann man nicht mal locker nach einer Woche antworten. 


 

 

Foto: Unsplash/Markus Spiske
 

Was kann die neue Plattform dazu beitragen?

Die Arbeitsplattform bietet viele Basisinformationen fürs Ankommen, Aufenthalten und Bleiben. Man kann es als eine Art Welcome-Service verstehen, der Menschen, die zum ersten Mal nach Südtirol kommen oder lange nicht mehr hier waren, wie viele Südsterne zum Beispiel, die nötigen Informationen gibt. Etwa Infos zur Gesundheitskarte, dem Abo+ für Kinder oder auch wie jemand den Führerschein umschreiben kann. Wir wollen damit auch den Unternehmen helfen, indem wir ihnen Arbeit abnehmen. Denn wenn sie Menschen von außerhalb anstellen, sind ja auch sie als Ansprechpartner gefragt, das kostet Zeit. Wir verstehen uns als niederschwellige Anlaufstelle in der Kammer bei allen Fragen, sowohl für jene, die Interesse haben, in Südtirol zu arbeiten, als auch für Arbeitgeber, die ihre Attraktivität am Arbeitsmarkt steigern möchten. 

 

Mehr Mitsprache ist nur ein Punkt. Was können Arbeitgeber noch tun?

Die Handelskammer hat gerade den sogenannten Talente-Aperitivo an mehreren Universitäten veranstaltet. Dort trafen 54 Südtiroler Unternehmer auf knapp 200 Studentinnen und Studenten. Sie alle sagten, dass sie irgendwann zurück möchten, alleine schon wegen der Familie und der Heimat. Aber im nächsten Satz kam dann gleich ein Wenn in Bezug auf die Löhne. Die Einstiegsgehälter sind in Südtirol einfach deutlich niedriger, bei gleichzeitig sehr hohen Lebenshaltungskosten. Und dann geht es auch ums richtige Ankommen im Land. Eine Studie des WIFO hat gerade in Bezug auf den Brain Drain ergeben, dass wir ein Zuzugsland sind. Wir haben sozusagen noch einen positiven Saldo, aber die Menschen, die herkommen, bleiben oft nur für ein paar Jahre, weil sie es nicht schaffen, sich gut zu integrieren. Jemand aus Verona, der am Wochenende keinen Anschluss hat, geht irgendwann wieder. Deshalb planen wir nun auch Veranstaltungen für Neuankömmlinge, damit sie sich dort kennenlernen und miteinander vernetzen können. 

 

Eine Barriere: der Dialekt?

Am Arbeitsplatz wird viel Dialekt gesprochen. Diese Sprachbarriere haben wir einfach. Umso mehr müssen wir in anderen Bereichen punkten. 

 

 

Alle Infos zum Leben und Arbeiten in Südtirol: www.workinsuedtirol.com

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