"Der Weg zu höheren Positionen verlangt heute selten technisches Spezialwissen"

Montag, 29.04.2013

 

Ignaz Donà lebt seit vielen Jahren in Wien und ist als Projektmanager im Bereich Pipelinebau und Gasspeicher für Erdgas tätig. Im Südstern- Interview spricht er über die Energiewende und die Rolle des Erdgases in der zukünftigen Energieversorgung.

 

 

Einige Rohstoffexperten vergleichen die Aufbruchsstimmung rund um die Erdgasgewinnung durch ‘‘Fracking‘‘ mit dem Goldrausch des 19. Jahrhunderts. Erdgas ist emissionsarm, schadstoffarm und günstiger als Erdöl. Freuen Sie sich, wenn der Ölpreis weiter steigt?


Als Autofahrer freue ich mich wenig über einen steigenden Ölpreis. Für Mitarbeiter in einem Primärenergieunternehmen erleichtert ein hoher Ölpreis jedenfalls Investitionsentscheidungen im Explorationsbereich. Ein hoher Ölpreis hat aber auch firmenintern eine Kehrseite. Er stellt aktuell ein riesiges Problem für die Erdgasgaswirtschaft dar. Die langfristigen Lieferverträge mit Russland und anderen Lieferländern sind an den Ölpreis gebunden. Durch den Schiefergas-Boom in den USA ist der Bedarf an verflüssigtem Erdgas aus den traditionellen Lieferländern in den USA extrem zurückgegangen. Dieses Gas drängt verbilligt nach Europa und hat das zuvor stabile Preisgefüge zerstört. Die traditionellen europäischen Gasimporteure müssen ihren ölpreisgebundenen Abnahmeverpflichtungen z. B. gegenüber Russland nachkommen, können aber dieses teure Erdgas nur unter dem Einstandspreis an ihre Kunden weitergeben. Folgen dieses Effektes: alle europäischen Gasimporteure schreiben derzeit massive Verluste und die Stromwirtschaft und Schwerindustrie weicht- soweit sie nicht an Verträge gebunden ist - auf die deutlich verbilligte aber emissionsintensive Kohle aus, welche in den USA vom billigen Schiefergas verdrängt wurde.

 

Erdgas spielt bekanntlich eine Schlüsselrolle bei der Energiewende. Glauben Sie, dass diese nach dem Atomausstieg Deutschlands noch realistisch möglich ist?


Die regenerative Energie steht in nennenswertem Umfang nur bei ausreichend Wind und Sonnenschein zur Verfügung. Erdgas hat mit und ohne Atomenergie die Aufgabe, mittels Kraftwerken jenen schwankenden elektrischen Energiebedarf der Verbraucher zu decken, welcher zusätzlich zur regenerativ erzeugten elektrischen Energie erforderlich ist. Nimmt Europa / die Welt die Kyoto-Ziele ernst, kommt dem Erdgas zumindest für die nächsten Jahrzehnte eine eminente Schlüsselrolle zu.

 

Wie bereiten sich  die zentraleuropäischen Energiefirmen darauf vor?


In alle großen Energieunternehmen wird massiv in das Standbein Erdgas investiert. Zeitgleich wird begleitend am Projekt „Power to Gas“ geforscht, wobei mit überschüssiger regenerativer elektrischer Energie Wasserstoff produziert wird, welcher in Reaktion mit CO2 zu synthetischem Erdgas (CH4) verwandelt werden soll. Damit ergibt sich die Möglichkeit, überschüssigen regenerativen Strom in Form von Erdgas zu speichern und über bestehende Pipelines umweltfreundlich zu den Verbrauchern zu bringen.

 

Welche Bedeutung spielt die Nabucco-Pipeline für Europas Energiesicherheit?

Nabucco stellt eine Diversifizierung des europäischen Gasbezuges dar und verringert die starke Abhängigkeit von Russland und liefert auch einen Beitrag zur Energiesicherheit. Nabucco eröffnet einen Energiekorridor zu Ländern mit den größten Gasreserven: Aserbaidschan, Turkmenistan, Irak und in späterer Folge Iran.  Nabucco eröffnet insgesamt für die europäische Wirtschaft das Tor zu neuen Handelsbeziehungen nach Vorderasien und ist in den Worten von Joschka Fischer (ehemaliger deutscher Außenminister) ein Friedensprojekt. Ähnlich der historischen wirtschaftlichen Vernetzung des seinerzeitigen Ostblockes mit Westeuropa in den späten 60-er Jahren, wo trotz kaltem Krieg und wechselseitigem Misstrauen Verträge zur Erdgasversorgung mit der ehemaligen Sowjetunion  geschlossen wurden.

 

 

 

 

Sie haben an der Erweiterung der Trans Austria Gasleitung (TAG), einer Erdgaspipeline aus  den 70er Jahren, welche von der Slowakei bis nach Italien führt, gearbeitet. Haben sich die Sicherheitsanforderungen über die letzten Jahrzehnte hinweg wesentlich verändert?

Die Trans-Austria Gasleitung (TAG) besteht heute aus drei Gasleitungen von je ca. einem Meter Durchmesser und einer Länge von je 385 km. Die Gasleitungen liefern russisches Erdgas von der slowakischen Grenze durch Österreich zur italienischen Grenze nach Tarvis, welches im italienischen System bis nach Mailand weitergeleitet wird. Ich war in Österreich 16 Jahre lang verantwortlich für den Bau der 3. Pipeline und für den Ausbau von Verdichterstationen, mit welchen das Erdgas Richtung Süden „gepumpt“ wird.
Die Sicherheitsanforderungen für den Bau und den Betrieb von Pipelines haben sich geändert, insbesondere was das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung  und die technischen Überprüfungsvorschriften der eingesetzten Baugeräte bzw. der in Betrieb befindlichen Pipeline betrifft. Die Sicherheitsvorschriften sind insbesondere durch laufende Schulungen und einer Menge schriftlichen Anweisungen „bewusster“ gemacht worden.

 

Was hat Sie dazu bewogen, Ingenieur zu werden? Werden heute andere Anforderungen an den Ingenieursberuf gestellt als früher?

Ich habe in Wien Maschinenbau studiert, Maschinen und Autos hatten in meiner jugendlichen Vorstellung ein Naheverhältnis. Die heutigen Anforderungen an den Ingenieurberuf sind vielfältiger, sichtbar an den vielen neuen technischen Spezialgebieten. Der Weg zu höheren Positionen verlangt heute selten technisches Spezialwissen, sondern Management-Qualitäten, technisches und wirtschaftliches Verständnis und Englisch. Die Führung in technischen Unternehmen ist zumindest in westeuropäischen und amerikanischen Unternehmen neuerdings stark in Händen von Absolventen der Wirtschafts-Universitäten bzw. von Juristen.

 

Wie sieht ein typischer Tag bei Ihnen aus?

In der Bauphase: Koordination, Steuerung und Kontrolle des Projektes.
In der Projektentwicklungsphase: Erstellung der technischen Machbarkeitsstudie, technische Prüfung der Planunterlagen und der Bestellspezifikationen, technische und kaufmännische Verhandlungen mit den Lieferanten und Baufirmen. D.h. viele tägliche Besprechungen mit Mitarbeitern und Firmen.

 

Das Erdgas-Tankstellennetz wird auch in Südtirol stetig ausgebaut. Fahren Sie auch mit Erdgas?

Nein; zu Zeiten, wo ich bis zu 50.000 km pro Jahr gefahren bin, war mir eine große Tank-Reichweite wichtig. Heute, wo ich deutlich weniger fahre, wäre es aus Umweltschutz- und Preisgründen überlegenswert. Aber mein Auto hat das km-Limit für einen Wechsel noch nicht erreicht.

 

Was macht Südtirol im Energiesektor Ihrer Meinung nach gut? Wo liegt Verbesserungspotential?

Im Bereich der Primärenergie hat Südtirol wenig Einflussmöglichkeit. Wichtig ist ein sparsamer Umgang mit Energie generell und eine sinnvolle Ergänzung des Energieangebotes mit regenerativer Energie, welche auch ohne Subventionen konkurrenzfähig ist. Überlegenswert wäre eine Verbindung des Gasnetzes von Südtirol mit jenem von Nordtirol, sofern sich daraus Preisvorteile für die Erdgasverbraucher in Südtirol ergeben würden.

 

Welche Ratschläge würden Sie einem jungen Südtiroler geben, der seine berufliche Zukunft im Bereich Energie sieht?

Sammeln von internationaler Erfahrung bereits im Studium, Perfektionierung der englischen Sprache und flexibel sein betreffend Arbeitsort.

 

Was wünschen Sie sich für Südtirol?

Weltoffenheit, Bescheidenheit - vor allem im Umgang mit den sehr begrenzten Ressourcen, nachhaltiges Wirtschaften und sich der Geschichte des Landes bewusst zu bleiben.

 

Interview: Alexander Walzl

 

Tags

Energie
Wien
Ignaz Donà
Erdgas

Ähnliche Beiträge: