Zwischen VIP-Anreise und Menükarten-Verkostung
Die gebürtige Radeinerin Elisabeth Perwanger trägt große Verantwortung: Als „Area General Manager Österreich“ der Steigenberger Hotel Group ist sie je nach Saison für bis zu 320 Arbeitskräfte verantwortlich. Voriges Jahr erhielt sie die Auszeichnung „General Manager of the Year“ der Gruppe. Im Südstern-Interview erzählt Elisabeth Perwanger, wie sie ihre Hotels immer wieder positioniert und was sie dem Südtiroler Tourismus raten kann.
Frau Perwanger, Sie sind für sämtliche Steigenberger-Hotels in Österreich verantwortlich. Ist es in Ihrer Position noch möglich, mit den Gästen Kontakt zu haben?
Unsere Gäste müssen Mittelpunkt unseres täglichen Handelns sein. Es ist mir sehr wichtig, den regelmäßigen Austausch mit unseren Gäste hier im Haus zu haben, deshalb ist täglich hierfür Platz in meinem Kalender eingeplant. Der persönliche Austausch, Begrüßung und Verabschiedung geben mir die Möglichkeit, direktes Feedback zu bekommen und die Wünsche und Prioritäten der Gäste besser zu verstehen. Das ist essentiell, denn wir müssen uns ständig weiterentwickeln.
Für wie viele Hotels und Mitarbeiter sind Sie verantwortlich?
Als Geschäftsführerin für Steigenberger Österreich bin ich zurzeit für vier Hotels verantwortlich. Wir beschäftigen ca. 260 Mitarbeiter und indirekt mit Dienstleistern wie Reinigungskräften, Facility Management usw. sind es je nach Saison um die 320.
Obwohl Sie „Area General Manager Österreich“ sind, leiten Sie noch immer das Steigenberger Hotel Herrenhof in Wien. Wie positionieren Sie sich inmitten der Konkurrenz? Mit welchen speziellen Angeboten versuchen Sie, Kunden für sich zu gewinnen?
Das Steigenberger Hotel Herrenhof in Wien hat eine fantastische Lage direkt im 1. Bezirk. Wir haben den Anspruch, für Businessgäste sowie Städtereisende die erste Wahl in unserer Kategorie zu sein. Was uns gegenüber vielen Kettenhotels auszeichnet ist der wirklich persönliche Umgang mit unseren Gästen und die Fähigkeit der Mitarbeiter auf diese einzugehen.
Neben den Individualgästen begrüßen wir wenige, ausgewählte Gruppen, die meist für einen Kongress oder ein Meeting hier in Wien zusammentreffen. Auch hier gilt klein und individuell statt Masse. Unsere Gäste kommen aus vielen Nationen; für uns gilt es, die Ansprüche und Besonderheiten eines jeden zu erkennen und nach Möglichkeit zu erfüllen.
Wer in der Hotelbranche arbeitet, hat wahrscheinlich keinen Nine-to-five-Job. Wie schaffen Sie es, Ihre Familie und Ihre Karriere unter einen Hut zu bringen?
Ich bin der Meinung, dass man alles schafft, was man gerne tut. Organisation ist wichtiger denn je, seit ich Kinder habe. Wir haben einen tollen Familienzusammenhalt, wo jeder jeden unterstützt, aber ohne Kindermädchen geht es nicht. Zeit für meine Kinder ist mir sehr wichtig, gemeinsames Essen, Wochenenden. Die Kinder können jederzeit zu mir ins Hotel kommen oder mich anrufen, sie haben immer den ersten Platz in meinem Leben. Ich liebe es zwischen beiden Welten – Beruf und Familie – hin und her zu wechseln. Beides fordert mich auf ganz eigene Weise und braucht volle Aufmerksamkeit.
Womit sind Sie tagtäglich beschäftigt? Gibt es als Hoteldirektorin überhaupt einen „typischen Tag“?
Außer ein paar periodischen Meetings mit meinen Abteilungsleitern und gewissen Deadlines zur Abgabe oder Überarbeitung von Dingen für die Region oder die Zentrale gibt es kaum eine Regelmäßigkeit. Genau das ist es, was ich an meiner Aufgabe so mag. Jeder Tag ist anders, ich wechsle von einer Baubesprechung zur VIP-Anreise mit hohen Sicherheitsanforderungen, von der Menükarten-Verkostung zum Forecastmeeting mit den Kollegen in den anderen Häusern oder mit der Zentrale, von einer Veranstaltung in der Stadt zu einem Personalgespräch. Die Aufgabe ist sehr vielfältig. Ohne meine engagierten Mitarbeiter, denen ich voll vertraue, wäre das alles nicht möglich.
Was konkret erwarten Sie sich von Menschen, die in Ihrem Hotel arbeiten (und Karriere machen) möchten?
Menschen in unserer Branche müssen zu allererst Lust auf Menschen haben. Neugierde, Offenheit, positive Ausstrahlung und Spaß an verschiedenen Nationen und Mentalitäten sind für mich ganz wichtig. Das Handwerk dahinter kann man lernen.
Wenn Mitarbeiter Karriere machen wollen, gehört noch eine große Portion unternehmerisches Handeln dazu. Heute muss man mehr wirtschaften können denn je. Ich erwarte, dass der Anspruch an die eigenen Arbeit bei Mitarbeitern mit Ambitionen so ist, als wäre es ihr eigenes Haus in Hinblick auf Produkt, Finanzen, Qualität und Service.
Wie sehen Sie den österreichischen Markt? Kann er touristisch noch weiter erschlossen werden?
Tourismus in Österreich ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. 15 Prozent des Bruttoinlandprodukts werden hieraus generiert und jeder fünfte Vollarbeitsplatz durch diesen Zweig gesichert.
Die Konkurrenz ist mittlerweile enorm, wir konkurrieren hier mit der Welt, nicht mehr nur mit ähnlichen Ländern. Durch die leichte Erreichbarkeit und preiswerten Flugangebote ist die Welt zum Dorf geworden und stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, sich auf seine Werte und Kernbotschaften zu besinnen. Österreich und seine Werbung tun dies sehr gut. Viele Hoteliers stehen vor der Herausforderung des Generationenwechsels und der schwierigen Finanzierungslage seitens der Banken. Produktverbesserungen sind jetzt wichtig. Auch hier hat das Land einiges angestoßen um die Branche zu unterstützen.
Ich glaube gewisse Destinationen vertragen noch etwas mehr Tourismus, aber im Wesentlichen sollten die bestehenden Produkte verfeinert und nach Zielgruppen besser ausgerichtet werden, um mittel- bis langfristig erfolgreich zu sein.
Wie analysieren Sie den Markt in Südtirol – ist er gesättigt oder verträgt er noch mehr Tourismus?
Touristisch ist Südtirol sehr gut erschlossen. Eine Balance zwischen Einwohnern und Touristen muss erhalten bleiben. Wenn die Bergsteige zur Autobahn werden, ist dies sicher nicht langfristig zielführend. Das Schönste, was Südtirol hat, sind seine Berge, diese müssen wir pflegen und richtig einsetzen. Tourismus muss ganz klar eine Wertschöpfung darstellen für Bewohner und Gäste – neben dem Finanziellen sind es Nachhaltigkeit und Authentizität.
Was würden Sie der Südtiroler Hotellerie raten: Womit sollte Südtirol werben, womit kann es bei potentiellen Gästen punkten?
Auch Südtirol steht ähnlich da wie Österreich. Die wunderbare Landschaft, die Sprache und eigene Kultur sind die Schätze der Region Südtirol, aber auch das moderne, junge Südtirol ist einzigartig. In den letzten Jahren gab es viele erfolgreiche Projekte und Hoteliers, die sich klar positioniert haben – das ist meines Erachtens die Zukunft. „Me too“ ist keine Strategie mehr.
Sie sind im Berghotel Zirmerhof, das den Titel „Historischer Gastbetrieb des Jahres 2010“ erhielt, im kleinen Dorf Radein im Südtiroler Unterland aufgewachsen. War Ihr Weg zur Hoteldirektorin vorgezeichnet? Wollten Sie vom Anfang an in die Hotellerie einsteigen?
Natürlich bin ich mit Gästen und dem Leben im Hotel aufgewachsen und sehr früh mit allen Facetten dieses Berufs vertraut worden. Der Zirmerhof ist heute ein Haus, welches sich klar und erfolgreich positioniert hat, weitab vom Mainstream und immer mit Respekt auf seine Wurzeln.
Mich hat es in die Welt hinaus gezogen, ich wollte Sprachen, Kulturen und Mentalitäten nicht nur im Urlaub erfahren sondern im Alltag. Diese Branche gibt mir all diese Möglichkeiten und dazu noch unglaublich viel Abwechslung und als junge Hotelierin die Möglichkeit schon sehr früh Verantwortung zu übernehmen.
Mittlerweile bin ich ein „Stadthotelier“, das unterscheidet sich sehr von der Ferienhotellerie und ist mir persönlich lieber, da es meine Neigungen besser zur Geltung kommen lässt. Ich arbeite gern strategisch, hab ein Faible für Revenue Management, mag die Geschwindigkeit, den täglichen Austausch im und außerhalb des Hotels, und ziehe mich auch mal gern zurück, das kann ich in der Stadthotellerie besser umsetzen als in einem Ferienhotel.
Interview: Tobias Lechner