„Vom Seelenleben der westlichen Welt“ – Der Regisseur und Philosoph Philipp Mayrhofer im Interview
Der gebürtige Bozner Philipp Mayrhofer hat in Wien Philosophie, Theater und Film studiert. Seit über zehn Jahren lebt er als freischaffender Regisseur in Paris. Sein letzter Kurzfilm „Königsberg“ wurde 2012 unter über tausend Filmen für die „Quinzaine des réalisateurs“ in Cannes nominiert.
Für Ihre beiden letzten Dokumentarfilme, „The Moon, the Sea, the Mood“ und „L’ombre du prophète“ (Der Schatten des Propheten), sind Sie bis Papua-Neuguinea und in den Senegal gereist. In diesen Filmen werfen Sie allgemeine anthropologische Fragen auf. Ist das ein Schatten Ihres Philosophie-Studiums?
Ich interessiere mich für Anthropologie, weil diese Wissenschaft vom Exotismus, von romantischen oder unheimlichen Vorstellungen über den Anderen motiviert ist. Als Philosoph weiß man, dass „der Andere“ auf die eigenen Abgründe, auf das Unbewusste und Verdrängte verweist. Die Anthropologie erzählt also auch vom Seelenleben der westlichen Welt, ein Sachverhalt, der in diesen beiden Filmen durch ihren selbstironischen Zug vorkommt.
Hatten Sie für Ihre Dokumentarfilme schon vorher ein genaues Drehbuch oder sind Sie mit einigen Ideen im Gepäck drauflosgefahren?
Vor dem Drehbeginn schreibe ich ein Filmkonzept, eine Art mögliches Drehbuch und einen Fragenkatalog. Aber bei beiden Projekten wusste ich, dass der Film erst im Schnitt seine Form gewinnen wird. Dies wird auch bei meinem neuen Doku-Projekt über die legendäre Stadt Shangri-La der Fall sein.
Worum geht es in Ihrem neuen Film „Königsberg“?
Königsberg war mein erstes Spielfilmprojekt. Herr Königsberg ist Chef eines mittelständischen Betriebes, der mit zwei Problemen zu kämpfen hat: Erstens leidet er unter einer diffusen Depression, zweitens ist er ein miserabler Jäger. Eines Tages will er sein Schicksal verändern.
Ioana Mischie schreibt über den Film: „Esthetically enchanting, with a great appetite for retro-pastoral colors and dream-like settings, KONIGSBERG is a charming ‚existentialist‘ tragicomedy.“ Welche Gedanken (oder Stimmungen) versuchen Sie dem Publikum zu vermitteln?
Ich habe versucht eine kurze Komödie über die Ironie des Schicksals zu schreiben. Ich hoffe also vor allem, dass der Film die Zuseher amüsiert und sie den etwas schrulligen Hauptprotagonisten ins Herz schließen.
„Königsberg“ ist Ihr erster fiktionaler Film. Wie arbeiten Sie handwerklich? Was war zuerst da: der Plot, die Hauptperson, eine Idee?
Tatsächlich habe ich zuerst an die Hauptfigur gedacht. Ein Mann der ständig das Nebensächliche mit dem essenziellen verwechselt, dadurch selbst eine Frage nach Leben oder Tod nicht so ernst nimmt.
In Königsberg verwenden Sie fast leitmotivisch das Lied „Metti Una Sera a Cena“ in der Interpretation Florinda Bolkans. Haben Sie Einzelheiten wie die Musik schon vorher genau festgelegt?
Mein Produzent ist ein Plattensammler und Experte der Musik der 50er und 60er Jahre. Ich habe ihm gesagt, welche Art von Musik ich gerne hätte, und er hat mir eine riesige Liste mit Titeln angeboten. Als ich das Lied von Florinda Bolkan gehört habe, wusste ich sofort, dass es zu Königsberg passt. Es erzählt gewissermaßen sein Leben in einer ironischen und komischen Verschiebung. Außerdem stammt das Original von Ennio Morricone, einem legendären Filmkomponisten – ein kleiner Scherz am Rande.
Machen Sie so viel als möglich selbst, vom Drehbuch bis zur Postproduktion? Würden Sie sich selbst dem Autorenfilm zurechnen?
Ich führe Regie und habe meine Drehbücher bisher selbst geschrieben, das macht mich wohl zu einem Autorenfilmer. Für mein neues Spielfilmprojekt arbeite ich allerdings mit Filmdramaturgen zusammen und ich hätte nichts dagegen, eines Tages ein gutes Drehbuch eines anderen Autors zu verfilmen. Ich bin aber selber nicht Produzent und arbeite, wie üblich, mit anderen Leuten in der Postproduktion.
Gibt es Regisseure, die Sie als Vorbilder bezeichnen würden? Gibt es Filme, von denen Sie sich wünschen, dass Sie sie selbst gedreht hätten?
Ich habe keinen Lieblingsregisseur, aber es gibt unzählige Filmemacher, die mich beeinflussen. Was etwa die Komödien betrifft, so bewundere ich den Humor von Woody Allen, die bittersüße Ironie von François Truffaut, den Sinn für Rhythmus bei Blake Edwards, die Verrücktheit von Billy Wilder, die Radikalität von Ernst Lubitsch...
Sie haben voriges Jahr Ihre zwei Dokumentarfilme auch in Bozen vorgestellt. Werden Sie auch „Königsberg“ dem Südtiroler Publikum präsentieren?
Das würde ich sehr gerne machen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
Worum geht es in Ihrem nächsten Projekt?
Hauptsächlich arbeite ich an einer Literaturverfilmung. Es ist ein Roman von Hans Henny Jahnn, einem deutschen Autor, der in 50er Jahren gestorben ist. Es wird eine Art existenzialistischer Psychothriller, der auf einem Segelschiff spielt.
Das Land Südtirol unterstützt Filme, die in Südtirol gedreht werden. Wäre das auch für Sie ein Anreiz?
Für die Literaturverfilmung haben ich und mein Produzent Unterstützung für die Projektentwicklung aus Südtirol bekommen. Es ist noch zu früh festzulegen, wo der Film gedreht wird. Da es aber vor allem ein Studiofilm ist, könnte Südtirol in Frage kommen.
Interview: Tobias Lechner