"It's all about stories!" – Die Journalistin, Medizinerin und Romanautorin Judith Innerhofer
Südtirol hat eine neue Romanautorin: Judith Innerhofer aus Sand in Taufers hat im Frühjahr ihren ersten Roman „Die Bar“ veröffentlicht. Die gelernte Medizinerin und Journalistin lebt seit mehreren Jahren in Berlin. Im Südstern-Interview erzählt sie von ihrer beruflicher Vergangenheit, ihrem literarischen Handwerk und was sie jungen Journalisten raten kann.
Doktorin der Humanmedizin, Model, Kellnerin, Journalistin mit Karriere, PR-Beraterin, Romanautorin. Von einem so bunten und gleichzeitig so erfolgreichen Lebenslauf träumen viele. Ist es heute noch möglich, eine Universalgelehrte zu sein, oder muss man sich irgendwann spezialisieren und manche Bereiche zur Seite schieben?
Die Tendenz geht natürlich in Richtung Spezialisten. Bei all dem Wissen, das mittlerweile online für jeden zugänglich ist, braucht man auch Leute, die sich spezialisieren. Journalisten versuchen aus der Flut an Informationen das Wichtige zu filtern. Meine Ausbildungen und meine Kompetenzen fließen in meine Arbeit ein. Bei allem, was ich mache, geht es darum, die richtigen Fragen zu stellen und vor allem gut zuzuhören: Das gilt für Mediziner bei der Diagnostik wie für Journalisten bei Interviews etc. Wenn man so will, geht es immer um Geschichten: Krankengeschichten, Lebensgeschichten. Seit wir mit Grimms Märchen aufgewachsen und mit Hollywoodplots umgeben sind – it’s all about stories.
Für Sie als Journalistin ist Ihre bunte Vergangenheit ein großer Vorteil, Sie haben einen Einblick in Welten, die anderen Kollegen verschlossen bleiben. Wenn nun jemand Journalist werden möchte – würden Sie ihm zu „Hedonismus und Eskapismus“ (wie es in Ihrem Roman „Die Bar“ beschrieben wird) oder zu einem Praktikum bei einer Zeitung raten?
In medias res. Auf jeden Fall zu einem Praktikum oder einem Volontariat. Dabei merkt man sehr schnell, was zu einem passt, was man kann und was nicht. Sei es nur zu merken, dass man mit dem täglichen Druck, wenn man eine Tageszeitung macht, umgehen lernen muss oder gleich festzustellen, dass man eher ein Magazinjournalist ist. Mein Rat wäre: Finde deine Stärken heraus und konzentriere dich auf sie. Man sollte sich nicht mit den eigenen Schwächen beschäftigen. Und ohne eine Portion Lockerheit oder „Hedonismus“, sobald man verbissen wird, wird man scheitern.
Zu Ihrem literarischen Handwerk: Warum haben Sie diesen Roman begonnen? Gab es eine Figur, einen Plot, eine Beziehungskonstellation, eine Erfahrung, was stand zu Beginn Ihrer Arbeit?
Ganz viele Beobachtungen und der Wunsch, eine besondere Geschichte zu erzählen.
War der Plot schon zu Beginn entwickelt oder haben Sie einfach mal drauflos geschrieben?
Eine Mischung aus beidem. Ohne roten Faden und Konstruktion hält man keine 220 Seiten durch. Andererseits gibt es auch Phasen, in denen ich mich einfach habe schreiben lassen. Auch da gilt: einfach loslassen, Spaß haben, sonst wird keine Arbeit gut.
Schreiben Sie für ein Insiderpublikum, das Anspielungen versteht, oder schreiben Sie für ein Publikum in „einer anderen Welt“?
Für alle.
Für manche Autoren, wie Thomas Mann, ist Schreiben ein Nine-to-Five-Job. Andere, wie Charles Bukowski, mussten sich dazu erst betrinken. Verraten Sie uns, wie und wann Sie schreiben?
Auf jeden Fall außerhalb der Bürozeiten ... ;-)
Wie unterscheidet sich Ihre literarische Sprache von Ihrer journalistischen? Oder ist es Ihr Erfolgsrezept, dass Ihre literarische Sprache journalistisch ist und umgekehrt?
Meine literarische Sprache ist stark von der täglichen Sprache geprägt, die mich umgibt, und vor allem auch von der Sprache der „digital natives“: SMS, soziale Plattformen, Skype – kurz, prägnant, schnell, getrieben, verkürzt, eilig...
Sind Sie nach Ihrem ersten Roman nun so richtig auf den Geschmack gekommen oder „einmal und nie wieder“?
Sag niemals nie!
Ich bitte um eine Empfehlung: Welche Bücher muss man gelesen haben, welche Autoren muss man kennen?
Müssen tut man gar nichts. Die Liste großartige Bücher und Autoren und -innen ist lang. Mich hat in letzter Zeit das Buch „Untitled“ von Joachim Bessing inspiriert, der die Liebe in unserer Zeit genau auf den Punkt bringt, und der Philosoph Robert Pfaller, um nicht zu vergessen, was im Leben zählt.
Haben Sie schon ein nächstes literarisches Projekt?
Ich glaube nicht an eine Work-Life-Balance. Wir leben nur einmal. Also gibt es nur eine Life-Balance. Mein nächstes Projekt ist eine längere Weltreise, auf der ich viel beobachten werde. Mal sehen, welche Ideen dabei rauskommen ...
Ich vermute, auf Ihrem Karriereplan kommt Ihre Ahrntaler Heimat demnächst nicht vor. Könnten Sie sich aber vorstellen, irgendwann nach Südtirol zurückzukehren?
Schaug mo a mol.
Verraten Sie uns Ihren Karriereplan? Wollen Sie ein André Müller werden, der berüchtigte Interviewer, vor dem sich sogar Harald Schmidt und Alice Schwarzer fürchteten, oder lieber eine Joanne K. Rowling?
Beide in einem und noch mehr!
Berlin ist arm, aber sexy. Wie beschreiben Sie Südtirol?
Reich und sexy.
Redaktion: Tobias Lechner