"Das ganze frittierte Essen macht noch depressiver als das Wetter!"

Dienstag, 04.02.2014

Andreas Alber ist Postdoc am Roslin Institute in Edinburgh, dem Geburtsort des Klonschafs Dolly. Im Südstern-Interview spricht der gebürtige Meraner über das Referendum in Schottland, die biomedizinische Forschung der Zukunft und das schlechte Wetter in Schottland.


Die Universität of Edinburgh hatte kürzlich guten Grund zum Feiern. Der diesjährige Physiknobelpreis ging an Peter ­Higgs. Haben Sie von den Feierlichkeiten etwas mitbekommen? 

Da war einiges los. Ich persönlich habe aber alles nur in den Medien mitbekommen. Prof. Higgs, bereits 84 Jahre alt, war sehr erfreut über den Nobelpreis aber nicht so über den ganzen Medienrummel. Direkt nach der Bekanntgabe war er auf Urlaub ohne Telefon! Da mussten sich die BBC und andere anfangs mit den offiziellen Statements der Uni begnügen. Für den Ruf der Uni hat der Nobelpreis natürlich große Bedeutung und seit kurzem nennt sie sich auch „top 20 worldwide“.

Das Schaf Dolly entstand ebenfalls nahe Edinburgh und hat als das erste geklonte Säugetier weltweite Bekanntheit erlangt. Wie stehen Sie zur strengen Reglementierung der Forschung an embryonalen Stammzellen in Europa?

Ja, Dolly entstand hier im Roslin Institut in der Peripherie von Edinburgh und war wohl eine andere große Errungenschaft der Universität Edinburgh. Ich arbeite seit einigen Monaten als Postdoc hier und unsere Kantine heißt „Dolly’s“! Dolly selbst ist leider nur mehr ausgestopft im Nationalmuseum zu sehen. Ich bin prinzipiell gegen Verbote neuer Technologien mit dem Potenzial die Forschung voranzubringen. Besser finde ich klare und pragmatische Reglementierung was man damit machen darf und was nicht. Europa ist leider generell nicht sehr innovationsfreundlich was manchmal dazu führen kann, dass andere Weltregionen voranschreiten und Europa das Wissen und potenzielle Produkte dann teuer einkaufen muss. Ein etwas offenerer und pragmatischerer Zugang zu neuen Technologien wäre da hilfreich.

Es hält sich hartnäckig das Gerücht, nahezu jede zweite biomedizinische Studie lasse sich nicht reproduzieren. Woran liegt es, dass so wenige Studienergebnisse überprüft werden und was sollte sich Ihrer Meinung nach ändern?

Da wird wohl der Publikationsdruck einiges ausmachen. In vielen Ländern zählt oft noch die Quantität gleichviel wie die Qualität von akademischen Publikationen. Da viele Leute dann eher viel als gut publizieren und das schnell gehen muss leidet die Qualität. Ich gehe davon aus, dass in vielen Fällen die exakten Experimente durchaus reproduzierbar sind, die Schlussfolgerungen daraus aber nicht. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass die Fragestellung nur unzureichend erforscht wurde und sobald man einige publizierbare Experimente durchgeführt hat diese sofort publiziert werden anstatt die Fragestellung mit verschieden Ansätzen und Methoden gründlich zu erforschen. Erst dann sollte man Schlussfolgerungen ziehen. Ein anderes Problem ist sicher der Druck „positive“ Ergebnisse zu publizieren und die vielen absolut gleichwertigen „negativen“ Ergebnisse können oft nur schlecht publiziert werden. Das kann auch dazu führen, dass man in einer Publikation selektiv „positive“ Daten veröffentlicht und „negative“ oder nicht passende Daten einfach ignoriert werden. Die Lösung liegt meiner Meinung nach in einer größeren Wertschätzung „guter“ Publikationen und weniger Publikationsdruck. Leider muss man an solchen Veröffentlichungen oft deutlich länger arbeiten, und da die meisten Wissenschaftler nur befristete Zeitverträge haben, kann man es sich oft nicht leisten nicht früher zu publizieren, ohne seine nächste Anstellung zu riskieren.

Welche Rolle wird die Bioinformatik (im Hinblick auf das erst kürzlich gegründete Unternehmen Calico) Ihrer Ansicht nach in Zukunft spielen?

Bioinformatik spielt bereits jetzt eine Rolle und wird in Zukunft wohl immer wichtiger. Technologische Fortschritte haben es möglich gemacht, dass die medizinische Forschung Krankheitsmechanismen immer detailreicher erforschen kann. Man denke nur an die Entschlüsselung des menschlichen Genoms und die unvorstellbare Anzahl von Proteinen und Mechanismen die sich im menschlichen Körper abspielen. Da dies auch unvorstellbare Datenmengen mit sich bringt ist die Bioinformatik von großer Bedeutung. Modelle, die vorhersagen können was wie zusammenhängt sind da sehr hilfreich. Allerdings denke ich auch, dass am Ende immer ein Experiment solche Vorhersagen bestätigen muss.


Der letzte wirklich große Durchbruch in der biomedizinischen Forschung liegt nun mit der Entdeckung der Prionen vor 15 Jahren doch etwas länger zurück. Finden Sie, dass es in der biomedizinischen Forschung langsamer vorangeht als in anderen Forschungsbereichen?

Im Gegenteil: Ich denke wirklich, gerade in der biomedizinischen Forschung geht es recht rasant voran. Jedoch wird das in der Bevölkerung wohl oft nicht so wahrgenommen da viele Dinge für Laien nur schlecht zu verstehen sind. Mehr Öffentlichkeitsarbeit und mehr Berichterstattung in den Massenmedien würden da helfen. Es gab nach der Entdeckung der Prionen eine ganze Reihe von fundamentalen Entdeckungen. Man denke nur an die hier erwähnte Stammzellenforschung, die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, die Entdeckung der RNA Interferenz (die für meine Arbeit wichtig ist) und die Fortschritte in der Krebsforschung.

Wie stehen Sie zum Boykottaufruf gegen den Verlag Elsevier?

Das Problem besteht darin, dass Fachzeitschriften oft Unternehmen sind die in erster Linie Geld verdienen wollen. Wichtig für solche Verlage ist vor allem, dass ihre Artikel viel zitiert werden: Die Qualität der Forschung ist da manchmal zweitrangig. Ich habe den Boykott nicht wirklich mitverfolgt da ich intensiv damit beschäftigt war mit meinem Doktorat fertig zu werden. Generell begrüße ich die Open Access-Bewegung.

In einem Jahr stimmen die Schotten über ihre Unabhängigkeit von Großbritannien ab. Ist Schottland auf dem Weg zur Unabhängigkeit? 

18. September 2014 ist das magische Datum. Dann wird sich entscheiden ob die Schotten komplett unabhängig werden wollen oder nicht. Da so langsam erst die heiße Phase der Debatten beginnt ist es schwierig zu sagen wie das Referendum ausgehen wird. Prinzipiell sind viele Schotten wohl für die Unabhängigkeit jedoch gibt es noch viele offene Fragen, die es zu klären gilt. Ist die schottische Wirtschaft stark genug für die Unabhängigkeit? Akzeptiert der Rest des Vereinigten Königreichs eine Währungsgemeinschaft sodass Schottland das Pfund Sterling, wie gewünscht, behalten kann? Was bedeutet eine solche Währungsgemeinschaft und damit die Akzeptanz der Bank of England als schottische Nationalbank für Schottland? Man wird sehen was sich tut. Da ich auch wahlberechtigt bin, werde ich die Argumente mit Spannung mitverfolgen.


Was fasziniert Sie besonders an Ihrem Forschungsfeld?

Alles! Ich finde es besonders faszinierend, dass die biomedizinische Forschung immer detailreicher Krankheitsmechanismen erforschen kann. Dazu braucht es immer neue und bessere Technologien wie zum Beispiel hochauflösende Mikroskope und lasergesteuerte Zellsortiermaschinen, die einzelne Zellen eines Organs sortieren können. Ich finde es sehr spannend dass man damit immer neue Fragestellungen klären kann.

Sie stehen kurz vor Ihrem Ph.D.-Abschluss in Clinical Sciences. Wie sehen Ihre Pläne nach dem Studium aus?

Ende November letzten Jahres habe ich abgeschlossen. Mit Stil im Schottenrock! Ich arbeite nun als Postdoc am Roslin Institut. Wir sind ein Team von Wissenschaftlern und Wirtschaftern die gemeinsam anti-virale Mechanismen von microRNAs erforschen. Ziel ist es diese als anti-virale Therapie einzusetzen und nach Abschluss dieses auf zwei Jahre ausgelegten Projekts ein Unternehmen zu gründen. Man wird sehen …

Was hat Sie dazu bewogen, den Schritt ins Ausland zu wagen? 

Ich habe bereits zuvor in Wien studiert und wollte dann neue Kulturen und Länder kennen lernen. Mit Großbritannien und der Universität Edinburgh habe ich eine sehr gute Möglichkeit bekommen, meinen Doktor zu machen. Als Fazit kann ich nur sagen, dass man es ruhig wagen sollte ins Ausland zu gehen.

Schottland hat den Ruf, noch schlechteres Wetter als England zu haben. Helfen frittierte Marsriegel zur Aufmunterung bei Regen und Sturm? 

Das Wetter ist gewöhnungsbedürftig. Die Winter sind meist milder als in Südtirol und die Sommer mit durchschnittlich 20°C kühler. Woran man sich besonders gewöhnen muss ist der Regen, der durchaus öfters vorkommt, und die Dunkelheit im Winter. Deep fried mars bars helfen leider nicht. Das ganze frittierte Essen macht noch depressiver als das Wetter! 


Der Weg auf die Insel birgt zahlreiche Hindernisse. Mit welcher Vorlaufzeit ist bei der Bewerbung für ein ­PhD-Studium zu rechnen?

Voraussetzung sind Sprachkenntnisse und ein guter Abschluss. Die Internetseite findaphd.com ist besonders hilfreich in Hinblick auf das Vereinigte Königreich. Interessierte Studenten können sich gerne bei mir melden! 

Gibt es etwas, das Sie an Südtirol vermissen?

Eigentlich bin ich ganz glücklich hier im Moment. Was ich vor allem vermisse, ist wohl die gute Südtiroler Küche.

Interview: Alexander Walzl

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