"Routine frustriert mich und langweilt mich"

Dienstag, 01.04.2014

Sara Canali ist von der Hotelbranche über die Jeansbranche bei der Sportbekleidung gelandet und ist nun beim Schweizer Unternehmen Odlo tätig. Im Südstern-Interview gibt die gebürtige Klausnerin Einblicke in neueste Entwicklungen im Bereich der Funktionsbekleidung, erzählt von eigenen sportlichen Grenzerfahrungen und warum sie immer gerne nach Klausen zurückkommt.


Seit nunmehr zwei Jahren sind Sie Head of Product Management & Design beim Schweizer Unternehmen Odlo, das vor allem mit seiner Funktionsunterwäsche bekanntgeworden ist. Haben sich die Produkte von Odlo in dieser Zeit geändert? Wie?

Wie Sie vielleicht wissen, wird in der Sportbekleidungsbranche immer zwei Jahre im Voraus gearbeitet. Sicherlich haben wir in der Zeit neue Maßstäbe gesetzt, sichtbar sind diese entsprechend zum ersten Mal im kommenden Sommer sowie Winter 2014. Die größten Änderungen kommen sicherlich in Sachen Design (moderner, alltagstauglicher und trendiger) sowie in der Entwicklung innovativer Funktionsmaterialien und Technologien, die für Odlo zum ersten Mal in der fast 70-jährigen Geschichte auch Naturfasern beinhalten werden.

Sie waren seit Ihrer Jugend stets sportlich unterwegs und kennen daher die Anforderungen an das Produkt, das Sie vertreten, aus eigener Erfahrung. Wobei tragen Sie heute Odlo?


Ich trage Odlo eigentlich bei fast allen Sportarten. Die breite Auswahl an Sportwäsche deckt praktische alle Temperaturen und Bedürfnisse an die Passformen ab. Ein Must-have ist für mich unsere Wäsche auf jeden Fall im Winter beim Skitouren, Skifahren und ganz speziell auch beim Laufen.  Ich habe Odlo allerdings auch schon beim Tauchen getragen!


Vor Ihrer Tätigkeit bei Odlo waren Sie für The North Face tätig, das zum internationalen Konzern VF (Timberland, Vans, Eastpack etc.) gehört.  Odlo ist eine Nummer kleiner. Wodurch unterscheidet sich die Arbeit bei den beiden Unternehmen?


Grundsätzlich ist es – wie am Ende in jeder Branche – so,  dass in kleineren Firmen der Aktionsspielraum schon breiter ist und auch die Resultate der eigenen Arbeit direkter spürbar sind. Man kann viel schneller Veränderungen herbeiführen und steuern, Entscheidungen werden schneller getroffen und umgesetzt.  Bei Odlo habe ich dadurch auch jeden Tag das Gefühl, dass meine Arbeit geschätzt und gesehen wird. Gleichzeitig ist es natürlich so, dass bei einem Konzern wie VF die Funktionen viel klarer sind und größere Plattformen und Budgets auf allen Ebenen zur Verfügung stehen. Internationalität oder besser gesagt Globalität empfinde ich in Konzernen wie VF gleichzeitig sehr inspirierend.


Welchen Einfluss hat die Materialauswahl auf Ihre Arbeit und wo stecken die Herausforderungen bei der Verwendung von Natur- vs. Kunstfasern? Welche Trends sind hier in Zukunft zu erwarten?


Odlo als Marke legt sehr viel Wert auf die Funktion und Qualität des Produktes und entsprechend ist die Auswahl des Materials entscheidend. Ich denke wir sind eine der wenigen Marken, die noch ihre eigenen Faserkombinationen /  Stoffe in vielen Bereichen aktivitätsspezifisch und exklusiv entwickeln lässt. Die Herausforderung besteht darin, unabhängig von der Faser, die beste Kombination zu entwickeln, die sowohl den Preis erzielt als auch alle Verarbeitungen und Färbungen ermöglicht, sowie langlebig ist. In Zukunft werden speziell im Sportbereich Naturfasern wieder verstärkt zum Einsatz kommen und zwar ganz speziell in Kombination mit technischen Fasern. Menschen lieben den weichen Griff und Look von Wolle oder Baumwolle - wenn dies mit den Vorteilen von synthetischen Fasern verbunden werden kann, ergeben sich daraus eine Vielfalt an sehr interessanten Entwicklungen.

Sie haben vor einigen Jahren am Ultra Trail du Mont Blanc, einem der anspruchsvollsten Ultramarathons der Welt, teilgenommen und sind dabei an ihre Grenzen gestoßen: Nach 70 bewältigten Kilometern mussten Sie auch aufgrund von Knieproblemen das Handtuch werfen. Wie denken Sie heute an diese Erfahrung zurück?


Ich muss Sie korrigieren: es waren 79km! ;-) Und so kurz vor dem Ziel war das natürlich enttäuschend. Gleichzeitig war es für mich eine extrem wertvolle Erfahrung, die ich um nichts in der Welt missen möchte. Ich war physisch sicherlich nicht ausreichend vorbereitet, ich denke speziell dadurch habe ich sehr viel über mich selbst gelernt, über meinen Körper aber in erster Linie über meine Psyche, mentale Stärke und was mich antreibt. Ich weiß heute genau wo meine Grenzen sind, wann ich mir „erlauben“ kann sie zu überschreiten, wann aber auch nicht. Gleichzeitig hat mir diese Erfahrung mehr Ruhe gegeben und ich kann den Sport wirklich mehr genießen, vorher war ich sehr leistungsorientiert.


“Sii come la fonte che trabocca e non come la cisterna che racchiude sempre la stessa acqua” haben Sie als ihr Lebensmotto auserwählt. Welche Geschichte steckt dahinter?


Eigentlich keine spezielle. Es ist einfach in meinem Naturell, dass ich ständig das Bedürfnis habe, mich weiterzuentwickeln, neue Horizonte zu entdecken und auch beruflich ab und zu mal wieder in neue Gebiete aufzubrechen. Das gilt für den Sport, sowie für den Beruf,  eigentlich  für meinen ganzen Lifestyle. Es ist für mich undenkbar jeden Tag dieselbe Laufstrecke „abzulaufen“ und genauso konnte ich nie nur einer Sportart nachgehen. Ich stehe an keinem Morgen zur gleichen Uhrzeit auf, ich liebe es immer wieder neue Gerichte auszuprobieren - Routine frustriert mich und langweilt mich. Ich denke mein Lebenslauf spiegelt das perfekt und ungeplant wieder – vom Traum Pilotin zu werden, zur Hotelbranche, weiter in die Jeansbranche und von dort jetzt in die Sportbekleidung. Nicht wirklich immer dieselben Gewässer.


Dieses Motto spiegelt sich auch in Ihrem Lebenslauf wieder – Sie waren immer wieder auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Was haben Sie sich als nächstes vorgenommen – sowohl beruflich als auch privat bzw. im Sport?


Naja beruflich bin ich im Moment noch recht gut ausgelastet und im Moment ist die Herausforderung, Odlo dorthin zu bringen worauf unsere mittelfristige Firmenstrategie abzielt. Sobald diese „Mission“ erfüllt ist, kann ich mir vorstellen, den nächsten Schritt zu machen – darüber möchte ich mich noch nicht äußern. Privat folgt heuer im Sommer ein großer Meilenstein – ich werde 6 Wochen in den USA verbringen um meinen Privatpilotenschein zu machen – das ist ein Kindheitstraum.

Sie sind in Klausen großgeworden und leben nun in Hünenberg in der Schweiz. Die beiden Orte haben die Berge gemeinsam und sind auch was ihre Größe angeht vergleichbar. Was unterscheidet Klausen jedoch Ihrer Meinung nach von Hünenberg?


Ich lebe im Raum Zug, das ist schon ein bisschen grösser als Klausen, in Hünenberg liegt nur der Firmensitz Odlo. Neben den vielen Parallelen der alpinen Städtchen, unterscheidet sich Klausen von Zug sicherlich am meisten in der Internationalität. Zug ist der steuergünstigste Kanton und entsprechend leben hier sehr viele Expats aus der ganzen Welt. Englisch oder sonstige Sprachen hört man in den Straßen und Bars tagtäglich. In Klausen hat das eher Seltenheitswert. Gleichzeitig ist die Integration in der Schweiz nicht ganz so reibungslos wie es vielleicht in den südlicheren Alpenregionen ist.


Was schätzen Sie am meisten an Ihrer Heimat im Eisacktal?


Am meisten stolz bin ich sicherlich darüber, dass Klausen zu den 100 schönsten Altstädten Italiens gehört und das ist sie definitiv auch für mich. Kindheitserinnerungen sind mit all den kleinen pittoresken Gassen der Stadt verbunden. Ich schätze auch die Herzlichkeit und Neugier der Klausner die auch nach mehreren Jahren „Absenz“ sich immer wieder erkundigen, wie es einem geht.

Interview: Verena Platzgummer

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