"Südtiroler sind unkompliziert und anpassungsfähig"
Vor einigen Jahren hat es Simon Karner in den fernen Osten verschlagen. Dort hat er seine Firma "Shanghai to Milan" gegründet, die vor allem mit Südtiroler Unternehmen erfolgreich zusammenarbeitet. Im Südstern-Interview erzählt Karner von kulturellen Besonderheiten des Wirtschaftsstandorts China, gibt Tipps für Unternehmensgründer und erklärt, was uns Südtiroler ausmacht.
Du bist Gründer der Firma „Shanghai To Milan“, die es klein- und mittelständischen europäischen Betrieben ermöglichen soll, Handelsbeziehungen mit China aufzubauen. Was war das erste Projekt deiner Firma?
Genau. Unser erstes Projekt war eine Qualitätskontrolle für einen österreichischen Hotelausstatter, der Probleme mit einem Lieferanten in China hatte. Da wir vor Ort sind, konnten wir das Problem schnell aufzeigen und lösen. Das eigentliche Problem lag hauptsächlich in der Kommunikation, welche wir fortan für die nächsten Bestellungen übernommen haben. Die Firma ist immer noch unser Kunde und wir beliefern sie mittlerweile mit einer Vielzahl von Artikeln.
Du arbeitest auch mit Südtiroler Unternehmen zusammen. Wovon können Südtiroler Unternehmen profitieren und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im Vergleich zu Unternehmern anderer Regionen und Länder?
Wir arbeiten hauptsächlich mit Südtiroler Unternehmen zusammen. Der eindeutige Vorteil für ein Südtiroler Unternehmen ist dass wir mit unserem Verkauf- und Logistikbüro in Bozen sehr nahe am Kunden sind. Dadurch finden persönliche Treffen öfters statt. Außerdem übersetzen wir den Südtiroler Dialekt direkt ins Chinesische damit möglichst wenig Information auf dem Weg zur Produktionslinie verloren geht. Die Zusammenarbeit mit Südtiroler Betrieben gestaltet sich für uns sicher einfacher als mit anderen, da wir einen Vertrauensvorschuss genießen. Meistens wird in Fernost mit Vorkasse eingekauft, deshalb muss man erst recht das Vertrauen des Kunden gewinnen. Dies fällt uns in Südtirol leichter; die Leute wissen schließlich, auf wen sie sich verlassen können.
Du hast unter anderem an der Freien Universität Bozen Wirtschaft studiert. Welche wichtigen Werkzeuge gibt vor allem diese Universität seinen Absolventen für eine Karriere in der Wirtschaft mit?
Das wichtigste Werkzeug das einem die Uni Bozen mitgibt sind sicherlich die Sprachen. Vor allem technische Begriffe auch im Englischen zu beherrschen hilft sich international zu behaupten. Auch die internationale Ausrichtung der meisten Fächer ist sicher hilfreich. Damit erlernt man bereits am Anfang des Studiums Probleme von verschiedensten Blickwinkeln zu betrachten. Ich hoffe die Uni arbeitet weiterhin hart an ihrem guten Ruf, da dieser amibitionierte Studenten aus aller Welt anzieht und somit den Absolventen ein großartiges Netzwerk zur Verfügung stellt.
Wie kam es zu dem Sprung nach China?
Der Sprung nach China kam zufällig und indirekt auch über die Uni Bozen. Ich bin während dem Studium in der Sommerpause für mehrere Monate alleine nach Indonesien gereist, um mir das Land anzusehen. Diese Reise hat mein Interesse an Asien geweckt und als ich zurückkehrte habe ich mit dem Gedanken gespielt, nach dem Studium nach Asien zu gehen. Eine Kommilitonin in meinem Jahrgang, welche in Singapur aufgewachsen ist, hat mir erzählt, dass ihr Vater für einen internationalen Konzern in Shanghai tätig ist. Ich habe daraufhin einfach frech gefragt ob es möglich ist, ein Praktikum dort zu machen. Ihr Vater hat sofort zugesagt und so bin ich direkt nach dem Studium völlig unvorbereitet nach Shanghai aufgebrochen. Das Praktikum hat dann zu einem Job in dem Konzern geführt. Nach ein paar Jahren habe ich aber gemerkt, dass ich um Karriere zu machen zurück nach Europa hätte müssen. Das wollt ich aber nicht, deshalb habe ich es mit einer eigenen Firma versucht. Bis heute habe ich die Entscheidung nicht bereut.
Du lebst und arbeitest sowohl in Hong Kong als auch in Shanghai. Worin unterscheiden sich die beiden chinesischen Metropolen?
Die Städte sind ähnlich und doch sehr unterschiedlich. Wenn man aus dem
Westen nach Hong Kong reist erscheint die Stadt unglaublich asiatisch, während
wenn man aus China kommt fühlt man sich in Hong Kong bereits im Westen.
Der grundlegende Unterschied ist, dass Hong Kong bereits seit
Jahrzehnten floriert und eine internationale Finanzmetropole ist, während
Shanghai noch im Aufbau ist. Dadurch herrscht in Shanghai ein völlig anderer
„drive“, der Traum eines jedes Unternehmers. Außerdem ist Shanghai ein Magnet für unterschiedlichste Personen. Von Ausländern,
die Chinesisch lernen wollen, über Künstler bis zu Studenten, die ein
Auslandssemester absolvieren, findet man in der Stadt alles. Dies gibt Shanghai
einen besonderen Flair, den man vor allem im Nachtleben merkt.
Hong Kong wird eher von Touristen oder Business Leuten besucht. Etwa
80% der sogenannten „expats“ sind hier in der Finanzbranche tätig und durch die
hohen Mietpreise ist die Anzahl der Freelancer, Künstler und Studenten hier
verhältnismäßig gering. Aus diesem Grund ist die Stadt trotz ihrer
Internationalität ziemlich einseitig.
Zudem haben beide Städte ein völlig unterschiedliches Rechtssystem.
Hong Kong basiert auf dem britischen Rechtssystem und ist sehr liberal, während
in Shanghai das chinesische Recht herrscht und somit alles stark bürokratisch
ist.
Im Zusammenhang mit fernöstlichen Ländern fällt hier in Europa immer wieder das Schlagwort „Kulturschock“. Wie ist es dir damit ergangen, als du nach China gezogen bist?
Ich mag das Wort eigentlich nicht. Meiner Meinung nach ist ein Schock etwas Unererwartetes, bei einem Umzug nach China erwartet man sich von vornherein etwas Anderes. Vor allem wenn man aus Südtirol kommt, und in einem Kulturmix aufgewachsen ist kann man eigentlich kaum von einem Kulturschock sprechen. Viel eher war ich verwundert wie stark westlich China 2006 bereits war. Den richtigen Kulturunterschied merkt man erst nach mehreren Jahren, wenn man sieht wie unterschiedlich Chinesen auf manche Dinge im Vergleich zum Westen reagieren. Ein großer Unterschied liegt in der Kommunkation vor: während im Westen meist direkt kommuniziert wird, ist dies in China unmöglich. Dabei spielt vor allem 面(mian = das Gesicht) eine große Rolle. Leider gehört z.B. Fehler einzuräumen bereits zum Gesichtverlieren. Besonders im Geschäftsleben muss man lernen, damit richtig umzugehen .
Vor zwei Jahren hast du einen Südtiroler Praktikanten bei dir in Hong Kong aufgenommen, der dir über einen Südstern-Kontakt vorgeschlagen worden war. Welche Vorteile haben vor allem Südtiroler deiner Meinung nach in der Unternehmenswelt?
Ja genau, Tamara hat vor zwei Jahren bei uns in Hong Kong ein Praktikum gemacht und dann ihr Studium fortgesetzt. Bereits während der Oberschule hat sie ein Auslandsjahr in Shijiazhuang verbracht, dort auch eine lokale Schule besucht und bei einer chinesischen Familie gelebt . Sie spricht daher fließend Mandarin und beherrscht sogar die Schrift. Dieses Jahr hat sie ihr Studium beendet und arbeitet nun seit einigen Monaten bei uns in Hong Kong. Gegen Ende des Jahres wird sie vermutlich nach Shanghai wechseln. Südstern ist eine super Platform um top Leute zu finden.
Natürlich bin ich als heimatbewusster Südtiroler der Meinung, dass wir einfach die Besten sind. Südtiroler sind relativ unkompliziert, anpassungsfähig und ihnen geht es bei der Arbeit meistens um die Sache. Auch ist die Zwei- bzw. Dreisprachigkeit ein großer Vorteil, sowie die Fähigkeit mit verschiedenen Kulturen zu interagieren. Außerdem sind die meisten bodenständig, ehrlich und fleißig. Wir können zwar manchmal etwas stur sein, aber die meisten Südtiroler machen sich im Ausland wirklich gut.
Welche Ratschläge würdest du Südtiroler Gründern mit auf den Weg geben?
Ich würde Gründern raten, mutiger zu sein und Sachen einfach mal zu probieren. Zuviel im Voraus planen und rechnen ist nicht unbedingt hilfreich, sondern schreckt meist davor ab etwas zu versuchen. Ich finde es besser, wenn sich junge Leute einfach auf unternehmerische Abenteuer einlassen und es nicht so ernst nehmen wenn es schiefläuft. Man kann es ja immer das nächste Mal probieren.
Was muss man als Handelstreibender in China bedenken?
Die Liste ist sehr lang, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Um es auf zwei Sachen zu beschränken:
- Man muss die Produktion unbedingt vor Auftragsvergabe besuchen um die technischen Fähigkeiten (Maschinen, Kapazität etc.) zu verstehen.
- Das Geschäft in China macht man immer zu zweit. Egal wie groß die Firma ist, man hat meistens nur einen Ansprechpartner. Wenn mit diesem die Kommunikation nicht stimmig ist lässt man es besser bleiben.
Interview: Verena Platzgummer