"Jazz habe ich dann erst sehr spät entdeckt"

Sonntag, 15.06.2014

Seit 13 Jahren lebt Ruth Goller nun schon in London und geht dort Ihrer Leidenschaft, dem Jazz, nach. Im Südstern-Interview erzählt die gebürtige Brixnerin von der vielfältigen Musikszene Londons und gibt einen Vorgeschmack auf die Konzerte, die sie mit ihrer Band "Let Spin" im Rahmen des Südtiroler Jazzfestivals geben wird.


Wie hast du deine Liebe zur Musik und vor allem zum Jazz entdeckt?
Ich komme aus einer musikalischen Familie, deshalb habe ich schon als Kind immer irgend ein Instrument gespielt (Geige, Klavier). In meinen Jugendjahren habe ich dann das Musizieren in Form einer Band entdeckt und damit herumexperimentiert. Jazz habe ich
dann erst sehr spät entdeckt, als ich nach London gezogen bin, dort die ‘London Music School’ besucht habe und danach dann mein Musikstudium vollzogen habe.  


Du hast an der Middlesex University Jazz studiert. Wie kann man sich ein Jazzstudium vorstellen?
Ich habe den BA Jazz an der Middlesex University in London studiert, und mich in ‘performance’ spezialisiert (man kann sich das Studium zwischen Komposition und ‘performance’ aufteilen). Der Kurs hat drei Jahre gedauert und ich habe dort eine sehr
gute Basis für Jazz bekommen. Man lernt über Musikgeschichte, Harmonie, Improvisation, Komposition, ‘arrangement’ etc. Dann bekommt man auch wöchentlichen  Unterricht mit einem Lehrer oder Lehrerin des ausgewählten Instrumentes und man spielt immer mindestens bei einem oder mehreren Ensembles mit. Zu dieser ganzen Zeit hat man Proberäume zur Verfügung, und es wird von einem erwartet, sich selbst so viel wie möglich durch Übung und Zusammenspiel weiterzubilden. Prüfungen finden in Art von Vorspiel (performance), Komposition, Lesen, aber auch schriftlich, analytischen Essays statt. 


Im Studium hast du dich auf elektrischen Bass und Kontrabass spezialisiert. Was macht für dich den Reiz dieser zwei Instrumente aus?
Als ich zum ersten Mal (in meinen späten Jugendjahren) den Bass in die Hand nahm, habe ich mich gleich damit zurechtgefunden und mich auch sofort in die tiefen Töne des Basses verliebt. Heute reizt mich die Vielfältigkeit des Instrumentes: die Kombination von Rhythmus und Harmonie, und auch das Rückengrad einer Band zu sein. 


Was ist das Besondere an der Jazzszene in London?
London ist für mich in musikalischer Hinsicht sicher einer der vielfältigsten Orte  überhaupt. Die Multikulturalität in der englischen Hauptstadt zeigt sich in der Jazzszene, aber auch in der allgemeinen Musikszene. Es gibt immer etwas neues und die Szene ist sehr kreativ. Die Qualität der Musiker selbst und ihrer Musik ist ausgezeichnet. Das Besondere an London ist, dass man wirklich jeden Tag in ein kleines Pub gehen kann und sich Weltklassen Jazz anhören kann. Und als Musiker da mitten drinnen zu sein, das ist natürlich sehr inspirierend. 

Du hast bei zahlreichen Projekten mitgespielt und bist mit Musikgrößen wie Rokia Traore und Bojan Z. aufgetreten. Welches deiner Engagements lag oder liegt dir am meisten am Herzen? 
Es gibt nicht wirklich ein Projekt, das ich da ausfiltern kann, denn einige Projekte kommen immer wieder dazu und andere fallen auch wieder weg, und das interessante für mich ist auch die Abwechslung. Es passiert, dass man für eine gewisse Zeit bei einer Tournee dabei ist, und dann kann sich das auch schnell wieder ändern. Das Leben als Musiker in diesem Kontext ist sehr spontan, vielfältig, aber auch finanziell unsicher. Projekte wo ich kompositorisch beitragen kann sind natürlich interessant, weil man da die Stilrichtung ein bisschen beeinflussen kann. 


Zusammen mit deiner Gruppe Let Spin wirst du Anfang Juli drei Konzerte im Rahmen des Südtirol Jazzfestivals geben. Was erwartet das Publikum?
‘Let Spin’ ist sicher nicht eine sehr traditionelle Jazzband, sondern kann auch sehr ‘rockig’ sein, mit viel freier Improvisation. Es ist ein kollaboratives Projekt und alle vier Mitglieder komponieren die Stücke, die deshalb sehr unterschiedlich klingen können. Improvisation ist ein sehr wichtiges und konstantes Element bei Let Spin. Hier kann man sich es anhören: http://letspin.bandcamp.com

In London bist du ein fester Bestandteil der Jazzszene, in Südtirol ist dein Name aber noch kein gängiger Begriff. Wie fühlt es sich an, daheim in Südtirol ein Konzert zu geben?
Ich freue mich sehr endlich mal eines meiner Projekte nach Südtirol zu bringen, um auch meine Arbeit somit daheim einmal vorzustellen. Wenn man so lange im Ausland lebt, fühlt es sich an, als hätte man zwei verschiedene ‘Leben’, die sich nur selten treffen, aber jetzt bin ich sehr dankbar, dass mir diese Möglichkeit gegeben worden ist. Auch für die Zukunft würde es mich freuen, wenn ich diesen Kontakt aufrecht erhalten, und professionell mehr in Südtirol tätig sein könnte. 

Was braucht die Musikszene in Südtirol deiner Meinung nach noch?
Diese Frage ist für mich schwierig zu beantworten, da ich ja nicht soviel in der Südtiroler Musikszene tätig bin, und auch nicht so genau sagen kann welche Möglichkeiten es für Südtiroler Musiker gibt sich auszubilden. Das Südtiroler Jazzfestival ist sicher weltbekannt und hat immer ein ausgezeichnetes Programm. Normalerweise, wenn gute musikalische Ausbildungen und genügend Konzerte aller möglichen Stilrichtungen vorhanden sind, dann gibt es auch eine gesunde Musikszene. 

Interview: Verena Platzgummer

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Musik
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