"In wenigen Jahren werden wir all unsere Dokumente auf Armbanduhren mit uns herumtragen"
Vor kurzem fand in Tianjin (China) das „Annual Meeting of the New Champions 2014“ statt, das vom World Economic Forum (WEF) organisiert wird. Dabei trafen 30 herausragende Wissenschaftler unter 40 Jahren aus aller Welt mit Führungskräften aus Wirtschaft und Politik zusammen, um gemeinsam über die größten Entwicklungspotentiale und Problemfelder im Bereich Technik und Innovation zu diskutieren. Zu den ausgewählten Wissenschaftlern zählt auch Südstern-Mitglied Christoph Stampfer aus Völs am Schlern.
Nach einem Studium der Elektrotechnik und der Technischen Physik an der TU Wien promovierte Christoph Stampfer auf dem Gebiet der Mikro- und Nanosystemtechnik an der ETH Zürich, seit 2009 betreibt er Grundlagenforschung zu kohlenstoffbasierter Nanoelektronik an der RWTH Aachen und dem Forschungszentrum Jülich. Seit April letzten Jahres hat der 37-Jährige eine Universitätsprofessur für Experimentalphysik inne und leitet das II. Physikalische Institut A an der RWTH Aachen.
Christoph Stampfer bei seinem Vortrag in China.
Copyright by World Economic Forum / Sikarin Fon Thanachaiary
Kleiner als klein: Du beschäftigst dich – stark vereinfacht gesagt – mit der Miniaturisierung von elektronischen Schaltkreisen, einem der wohl reizvollsten Themen im Bereich der Elektronik. Kannst du uns erklären, warum dieses Forschungsgebiet von so großer Bedeutung ist?
Für die Entwicklung der Informationstechnologie, die den Alltag jedes Einzelnen von uns erheblich beeinflusst, ist eine ständige Miniaturisierung unabdingbar. Nur eine stetige Verkleinerung der einzelnen Bauteile unter Optimierung oder zumindest Beibehaltung ihrer Funktion ermöglicht es, dass immer mehr Datenmengen auf immer kleineren Datenträgern abgespeichert werden können. Ein anschauliches Beispiel für diese Miniaturisierung stellt beispielsweise ein Smartphone dar, das heute wesentlich leistungsstärker als ein PC vor zehn Jahren ist. In wenigen Jahren werden wir höchstwahrscheinlich all unsere Fotoalben, Videos und andere Dokumente auf unseren Armbanduhren mit uns herumtragen und können sie gewissermaßen am Handgelenk jederzeit bearbeiten.
Die für diese Entwicklung erforderliche kontinuierliche Miniaturisierung wird allerdings zunehmend schwieriger. Die mikroelektronischen Komponenten befinden sich mittlerweile im Bereich des Nanometer (1 Nanometer = 0.000001 Millimeter), sodass die „einfache“ Miniaturisierung auf intrinsische Grenzen stößt: Die kleinsten Bausteine der uns umgebenden Materie und auch jedes elektonischen Bauelements sind bekanntlicherweise Atome, deren Durchmesser im Bereich von 0.1 Nanometer liegen. Sie sind zwar nicht – wie ihre Bezeichnung eigentlich vermuten lassen würde – unteilbar, doch stellt eine Miniaturisierung in diesem Größenbereich eine große Herausforderung dar.
Aber genau diese Suche und Entwicklung weiterer Verkleinerungsmöglichkeiten sowie die Frage nach neuen Bauteilkonzepten macht die Grundlagenforschung so spannend. Zudem ist auch die Angewandte Elektronik hiermit eng verbunden: Welche Geräte werden uns in Zukunft im Alltag begleiten? Wie werden sie unser soziales Leben beeinflussen und verändern?
Der Homepage des „Annual Meeting of the New Champions 2014“ ist zu entnehmen, dass die 30 herausragenden jungen Wissenschaftler aufgrund ihres „wesentlichen Beitrags zur Verschiebung der Grenzen im Bereich Wissenschaft, Ingenieurswesen oder Technologie in Bereichen mit hoher gesellschaftlicher Wirkung“ ausgewählt wurden. Inwiefern fällt dein Forschungsgebiet genau in diesen Bereich? Welche gesellschaftlichen Auswirkungen können deine Forschungen erzielen?
Meine Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Nanoelektronik und neuer niedrig-dimensionaler Materialien hat das Potential, die Informationstechnologie langfristig maßgeblich zu verändern. Hier sind insbesondere unsere grundlagenorientierten Materialuntersuchungen an dem allerersten zweidimensionalen Kohlenstoffmaterial, dem sogenannten Graphen, hervorzuheben, die die vielseitige Nutzbarkeit dieses Materials für neuartige Elektronik untersucht und deutlich macht. So könnten schon bald flexible elektronische Geräte, biegsame Bildschirme oder ultra-schnelle Verstärker mit Graphen realisiert werden.
Doch weitaus spannender gestaltet sich die Frage, ob mit Hilfe von Graphen auch Grundlagen der Quantenmechanik technologisch nutzbar gemacht werden können.
Die Washington Post berichtete dieses Jahr, dass die National Security Agency (NSA) starkes Interesse an der Entwicklung der Quantencomputer zeigt. Welche Veränderungen würde der Einsatz solcher Computer bewirken?
In den vergangenen zehn Jahren sind große Fortschritte in Richtung Quantencomputern erzielt worden und es ist höchstwahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, wann diese tatsächlich hergestellt werden können. Dies führt freilich dazu, dass zunehmend große Organisationen und Firmen Interesse an Quantencomputern zeigen. Da diese im Unterschied zu den herkömmlichen Computern ja wie der Name bereits sagt auf den Gesetzen der Quantenmechanik beruhen, werden sie, falls sie zum Einsatz kommen, zahlreiche Veränderungen mit sich bringen: Zum Beispiel ist davon auszugehen, dass sich unser gesamtes Bankomat- und Kreditkartensystem, das zurzeit die enorme Schwierigkeit der Primfaktorzerlegung ausnutzt, grundlegend abgeändert werden muss, da ein Quantencomputer problemlos den Pin knacken könnte.
Quantencomputer und die Quantentechnologie im Allgemeinen standen auch in Tianjin im Zentrum etlicher Diskussionen.
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Das „Annual Meeting of the New Champions“ fand vor wenigen Wochen statt. Welchen Eindruck, welches Gefühl hat das Treffen bei dir hinterlassen?
Die Veranstaltung hat einen durchwegs positiven Eindruck hinterlassen. Es war sehr spannend, einen Überblick über die momentanen globalen Herausforderungen zu erhalten. Zudem war es äußerst interessant, jenen Menschen zu begegnen, die die diversen Entwicklungen maßgeblich beeinflussen und steuern. Und einmal mehr hat sich gezeigt, egal welch einflussreiche Position jemand innehat, am Ende sind wir alle Menschen mit sehr ähnlichen Bedürfnissen. Die Begegnung und Diskussion mit so vielen höchst interessanten und spannenden Menschen aus unterschiedlichen Ländern war sehr anregend; außerdem war es schön zu sehen, wie leicht es ist, mit all diesen Menschen in Kontakt zu treten und gemeinsame Interessen zu finden.
Bleibt es für die jungen Wissenschaftler bei diesem einen Treffen oder sind weitere Treffen geplant?
Weitere Treffen sind geplant. Wir „junge Wissenschaftler“ sind zurzeit außerdem dabei, uns global besser zu vernetzen, um auf Politiker und Wirtschaftslenker größeren Einfluss ausüben zu können.
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Gab es einen bestimmten Grund, warum das Meeting in China stattfand? Wie schätzt du die Forschungskraft in China im Vergleich zu Europa und den USA ein?
Das „Sommer-Davos“ Meeting findet in Tianjin statt, weil China einen großen Teil der Kosten dieser Veranstaltung übernimmt. Gleichzeitig erhofft sich China sicherlich auch, durch dieses Treffen und den richtungsweisenden Diskussionen auf weltpolitischer Ebene in irgendeiner Weise zu profitieren.
Die angewandte Forschung in China ist sehr stark aufgestellt und durchaus mit den Aktivitäten in den USA und Europa vergleichbar. Auf dem Gebiet der Grundlagenforschung sieht die Situation jedoch etwas anders aus: Hier hinkt China noch deutlich nach. Da diese Art von Forschung eng mit einer bestimmten Form von Kultur verknüpft ist, nämlich einer, die der kritischen Auseinandersetzung, Neugier und Kreativität ausreichend Raum lässt, wird es meines Erachtens noch etwas dauern, bis China dieselbe grundlagenorientierte Forschungstätigkeit wie in den USA oder Europa aufweisen kann.
Du warst bislang an renommierten Universitäten im deutschsprachigen Raum tätig. Planung oder Zufall?
Das ist reiner Zufall. Ich war mindestens zweimal gedanklich bereits im englischsprachigen Ausland, doch schließlich habe ich von Zürich bzw. von Aachen jeweils ein besseres Angebot als dort erhalten. Die Orte, an denen man die infrastruktur- und kostenintensive Forschung auf dem Gebiet der experimentellen Nanotechnologie betreiben kann, sind weltweit abzählbar.
Wie stark ist dein Kontakt zu Südtirol? Hast du Kontakte im Forschungsbereich in Südtirol?
Meine Eltern und meine Schwester wohnen in Völs, daher bin ich regelmäßig dort. Auch habe ich viele Verwandte und Freunde in Südtirol, die ich gerne besuche. Ich genieße die Zeit zu Hause immer sehr; es ist eine wunderschöne Gegend, in der ich zu allen Jahreszeiten gern meinen Urlaub verbringe. Ich würde gern in Südtirol leben, aber das lässt sich mit meinem Beruf bzw. mit meinen Forschungsinteressen nicht vereinen.
Zum Forschungsbereich in Südtirol habe ich keinen Kontakt.
Südtirol hinkt im Bereich der Forschung & Entwicklung vergleichbaren Regionen hinterher. Vor kurzem wurde ein Programm vorgestellt, durch das Unternehmen Beihilfen bei der Einstellung von Hochqualifizierten in technisch-wissenschaftlichen Disziplinen erhalten. Was könnte man noch machen, um den Standort Südtirol für Talente aus dem Forschungsbereich attraktiver zu machen?
Ich kenne mich in der Forschungslandschaft in Südtirol nicht gut aus, aber ich denke, dass Südtirol durchaus für Wissenschaftler attraktiv wäre. Allerdings ist Forschung im naturwissenschaftlich-technischen Bereich vielfach äußerst kostenintensiv, sodass eine Förderung wohl nur durch das Bereitstellen höherer Geldsummen möglich ist. Es scheint mir daher sinnvoll, sich auf wenige ausgewählte Forschungsgebiete zu beschränken und diese dann aber auf höchstem Niveau zu verfolgen. Nur die internationale Anerkennung und Durchsetzung zählt! Diese würde dann auch die unerlässlichen Kooperationen mit anderen Forschungseinrichtungen bringen. Zusammenarbeiten mit der ETH Zürich, der TU München, den Universitäten in Innsbruck und Trient sollten zur Selbstverständlichkeit werden.
Es stimmt mich immer wieder traurig, welch enormes Potential Italien hier ungenutzt lässt. Ich kenne etliche italienische Spitzenforscher, aber keiner davon arbeitet in Italien. Die meisten würden aber sehr gerne dort leben. In erster Linie liegt das in der recht geringen Wertschätzung von Wissenschaftlern, den geringen finanziellen Mitteln und der auf nationaler Ebene nicht transparenten Vergabe von Forschungsmitteln.
In deinem Profil auf der World Economic Forum Homepage hast du Bergsteigen als Hobby angegeben. Welchen Berg erklimmst du am liebsten und warum?
Diese Frage lässt sich eindeutig beantworten: Es ist natürlich der Schlern, auf den ich direkt von meinem Elternhaus aus – am liebsten gemeinsam mit meinem Vater – wandern kann.
Interview: Thomas Mur