„Mein verstecktes, undiplomatisches und lautes Ich“
Cristian Gemmato beschreibt sich selbst als Wortoholik. Der 41-Jährige lebt in Linz und hat sich auf Markenkreation und Markenstrategie spezialisiert. Nun bahnt sich sein Sprachwitz den Weg vom Büro auf die Bühne.
Wie würden Sie die Marke Südtirol einschätzen ?
Optisch eine Augenweide. Inhaltlich stark. Selbstbewusst. Konsistent. Voller Emotionen. Vielfältig. Warm. Aber das liegt wohl auch daran, dass ich leicht befangen bin.
Aufgewachsen in Vahrn bei Brixen, leben Sie heute in Linz. Was zog Sie dahin?
Wir haben ja Zeit, oder? Nach meinem Abschluss an der Uni Innsbruck habe ich mich für einen Trainee-Job bei Intersport entschieden. Die Entscheidung nach Oberösterreich zu ziehen wurde mir durch meine damalige private Situation erleichtert. Keine Strategie steckte dahinter, sondern ein einfaches „Probieren wir’s mal aus“. Mittlerweile haben sich das Private und das Berufliche geändert. Meine Zelte sind jetzt in Wien aufgeschlagen, Linz bleibt als Büro-Basisstation noch am Leben.
Vor sechs Jahren haben Sie sich im Bereich Markenkreation und Markenstrategie selbstständig gemacht. Wie wird aus einer guten Idee eine überlebensfähige Marke?
Durch Vorausdenken, viel Arbeit und Fingerspitzengefühl. Es geht darum, eine clevere Idee beim Konsumenten in Wort und Bild zu inszenieren: unverwechselbar, unwiderstehlich und konsequent. Der Konsument soll das Gefühl bekommen, die Marke oder das Produkt haben zu wollen – nicht nur zu brauchen.
Seit über 15 Jahren beobachten Sie Marken und Kommunikationsstrategien. Wie haben sich diese Konzepte und ihr Stellenwert in den vergangenen Jahren entwickelt?
Entwickelt haben sich die Medien, rund um die man Kommunikation betreiben kann. Auch hat sich die Vielfalt der Marken vergrößert, welche um die Gunst der Konsumenten buhlen. „Höher, schneller und weiter“ ist dabei nicht immer das Erfolgsrezept. Heute muss man viel mehr vernetzt sein, integriert handeln und crossmedial denken. Eine klare Strategie ist nach wie vor unumgänglich.
Was erwartet Marken in den kommenden Jahren und welche Rolle spielen dabei Social Media?
Marken müssen sich auf ihre Kernbotschaft besinnen. „Alleskönntern“ gebe ich wenig Chancen, langfristig Erfolge zu erzielen. Der Konsument braucht Orientierung. Social Media stellen dabei eine Infrastruktur dar, welche in Sachen Zuhören, Dialog und Aufbau von Beziehungen mit den Konsumenten eine wichtige, vielleicht sogar die wichtigste Rolle spielen. Hier kann die Marke ihre Authentizität, Eigenständigkeit und Originalität voll ausspielen.
Ihre neueste Kreation ist ein eigenes Kabarettprogramm. Wie kommt es, dass Sie als Gino Cultura auf der Bühne stehen und wie lässt sich ihr Alter-Ego in Worte fassen?
Es war immer schon mein Wunsch, Leute zu unterhalten. Als Marketer fehlte mir anfangs die wichtige „Unique Selling Proposition“. Im Laufe der Zeit habe ich mein Faible zum „Wortoholik“ entdeckt und angefangen mit Worten zu spielen. Gino Cultura ist ein Relikt aus Linz 09. Wieder aufgetaut, begleitet mich dieser jetzt überall. In Worte gefasst ist Gino Cultura mein verstecktes, undiplomatisches und lauteres Ich.
Gino Cultura entlarvt Kulturklischees und parodiert die Eigenheiten der Italiener und Österreicher. Welche Strategie steckt hinter diesem Programm?
Die Strategie ist die Unterhaltung. Ich versuche, nur mit Bildern und Geschichten das Publikum zu animieren, mir zu folgen. Die starken Bilder der Österreicher in Italien und der Italiener in Österreich sind greifbar, authentisch und komisch.
Im 7. Wiener Bezirk konnten wir Gino Cultura Ende vergangenen Jahres live auf der Bühne erleben. Wie fühlt Gino sich im Rampenlicht und wie kommt er bei den Zuschauern an?
Ganz ehrlich? Gino scheißt sich zuerst in die Hosen. Aber sobald er den sogenannten Funken spürt, der vom Publikum überspringt, wird er zur Rampensau. Ob Gino Cultura bei den Zuschauern ankommt, wird sich zeigen. Ich denke, er ist am besten Weg. Zwar noch am Anfang, aber immerhin unterwegs.
Alexandra Hawlin