"Lernen, lernen, lernen und nie aufgeben!"

Sonntag, 25.10.2015

Ulrich Grossrubatscher ist als Tenor der Wiener Staatsoper in den bedeutendsten Opernhäusern der Welt zu Gast. Im Südstern-Interview erzählt er von seinem Werdegang,  gibt Einblicke in den Alltag eines Chorsängers und erklärt, warum der Rotstift nicht bei den Musikschulen angesetzt werden sollte.




Ihr Lebenslauf liest sich überaus spannend: Sie haben Psychologie studiert, waren als Internatsleiter und Psychologe tätig und sind dann zur Wiener Staatsoper gewechselt: purer Zufall oder das Ergebnis gezielter Planung?

Als Kind wollte ich Priester werden und somit strebte ich das Gymnasium/ Lyzeum im Vinzentinum (Brixen) an, was ich trotz anfänglicher Bedenken unseres Pfarrers in St. Ulrich erreicht habe. Mit 15 bekam ich meine Glaubenskrise und wollte Musiker werden. Pater Herkulan vom Kapuzinerkloster in Brixen las mir, als ich 18 war, aus der Hand und empfiehl mir, Jus oder Psychologie zu studieren.  Nach der Lektüre von Viktor Frankls "Psychotherapie für den Laien" war die Entscheidung für Psychologie getroffen.
Regens Geier empfahl mir Salzburg als Studienuniversität und somit inskribierte ich die Fächer Psychologie und Pädagogik an der Paris Lodron Universität zu Salzburg. Durch meine frühe Heirat und Vaterschaft war ich noch während des Studiums bestrebt, einen Job zu suchen und fand ihn in der Fremdenverkehrsschule in Kleßheim bei Salzburg, wo ich Internatsleiter wurde. Meine Leidenschaft für Musik, speziell Gesang, ließ mir keine Ruhe, sodass ich nach der Promotion in Psychologie mit dem Gesangsstudium bei Privatlehrern begann.


Doch das Heimweh nach der Südtiroler Heimat bewog mich nach 8 Jahren in Kleßheim eine Stelle bei der Sanitätseinheit Mitte/Süd als Psychologe, mit Sitz in St. Ulrich anzunehmen. Die Musik ließ mir keine Ruhe mit dem Ergebnis, dass ich ein Vorsingen an der Wiener Staatsoper absolvierte mit dem Erfolg, dass ich ab 1. Februar 1990 in den Staatsopernchor als 1. Tenor aufgenommen wurde. Dort blieb ich bis zum heutigen Tag. Sie fragen: Zufall oder Planung?  Ich würde sagen: Vorsehung!
 

Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um an der Wiener Staatsoper aufgenommen zu werden?


Man muss ein Vorsingen vor einer 8-köpfigen Jury bestehen. Verlangt werden 2 Arien, 3 Chorstellen aus verschiedenen Opern und Blattsingen (prima vista).
 

Was zeichnet einen hervorragenden Tenor aus? Haben Sie ein Vorbild?

 
Einen guten Tenor zeichnet folgendes aus: perfekter Stimmsitz kombiniert mit richtiger "Stütze" aus dem Zwerchfell und offenem Hals..
Meine Vorbilder: Fritz Wunderlich, Alfredo Kraus und mein Freund Leo Nucci.
 


Wie schätzen Sie das Zusammenspiel zwischen Disziplin und Talent ein?

 
Die zwei wichtigsten Stützen bzw. Voraussetzungen für Erfolg im Leben bzw. im Beruf
 

Welcher Auftritt ist Ihnen besonderer Erinnerung geblieben?

 
Die Solopartie des "Tierhändlers" im "Rosenkavalier" von Richard Strauss unter der Leitung von Carlos Kleiber in Wien und Tokio 1994



Viele Opernhäuser versuchen mit allen Mitteln Jugendliche für die Oper zu begeistern. Welche Initiativen sind Ihrer Meinung nach am vielversprechendsten um diesem Trend entgegenzuwirken?

 
Mit den eigenen Kindern in die Oper gehen und ihnen die eigene Begeisterung für diese Kunstgattung zeigen.
 

Was schätzen Sie am musikalischen Angebot in Südtirol und wo sehen Sie für unsere Region noch Ausbaumöglichkeiten?
 
Ich beobachte mit Genugtuung und Freude wie viele Jugendliche in Südtirol musizieren und bei Jugendwettbewerben Preise gewinnen. Die Musikschulen sind in Südtirol zahlreich, gut besucht und von hoher Qualität.
 

Wie bereiten Sie sich auf Ihre Auftritte vor? Haben Sie manchmal noch Lampenfieber?
 
Ich bereite mich täglich auf Proben und Vorstellungen vor, indem ich mich vorher ausgiebig einsinge und diszipliniert lebe.
Lampenfieber habe ich, Gott sei Dank, kaum mehr, wenn ich gut vorbereitet bin.
 

Was ist Ihr Geheimmittel gegen Heiserkeit?


Die richtige Gesangstechnik! Es gibt kein anderes Mittel!
 

Welchen Ratschlag würden Sie einem jungen Südtiroler mit auf den Weg geben, der in Ihre Fußtapfen treten möchte?

 
Lernen, lernen, lernen und nie aufgeben!



Langfristig wird wohl auch in Südtirol bei den Musikschulen der Rotstift angesetzt werden. Worin sehen Sie den Mehrwert einer musikalischen Bildung für jene, die beruflich einen anderen Weg einschlagen?

 
Musik ist "Speise für die Seele".
Wenn ich schlecht drauf bin (giù di corda), dann mache ich folgendes: ich singe! und bald bin ich wieder in Stimmung
Hätte ich einen anderen Beruf, würde ich singen, um mich in Stimmung zu bringen. Ich würde mich täglich einsingen.
Uneingesungen bin ich ein anderer Mensch, so wie ein ungestimmtes Klavier. Ein Mensch, der in Stimmung ist leistet mehr, wage ich zu behaupten, egal in welcher Branche! Das heißt konkret: Den Rotstift an den Musikschulen anzusetzen bedeutet für mich, die Entfaltungsmöglichkeiten eines jungen Menschen an der Basis einzuschränken und in weiterer Folge die Leistungskapazität zu verringern.
 

Die Heimat ist eines der Dinge, welches die Südsterne verbindet. Wie erleben Sie das Netzwerk in Wien?

 
Das Netzwerk ""Südstern" finde ich eine geniale "Erfindung". Man hat sofort ein Zugehörigkeitsgefühl und die Möglichkeit, eigene Erfahrungen an  Landsleute weitergeben zu dürfen.
 

Was vermissen Sie an Südtirol?

 
3 mal dürfen Sie raten: Die landschaftliche Schönheit!



Interview: Alexander Walzl

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