"Kaffee ist fest verankerter Teil unserer Kultur"
Die aus Bozen stammenden Brüder Robert und Richard Berner haben im Mai 2003 zusammen die Primo Espresso GmbH gegründet, die sich auf den Betrieb italienischer Espresso Bars für Mitarbeiter in privaten und öffentlichen Unternehmen spezialisiert hat. Im Südstern-Interview erzählt Richard Berner wie es zur Gründung des Unternehmens kam, warum sich besonders Kaffee als Bürogetränk eignet und welche Trends sich aktuell abzeichnen.
Obwohl einige der international populärsten Speisen aus Italien stammen, werden diese vorwiegend von ausländischen Unternehmen produziert und vertrieben. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Aufgrund von Marktkonzentrationen und durch Zusammenschlüsse global agierender Unternehmen – und das nicht nur im Lebensmittelbereich – wird es für Konsumenten heute immer schwerer nachzuvollziehen woher einzelne Produkte stammen.
Es gibt dabei aber auch sinnvolle Entwicklungen zu beobachten. Weshalb sollte zum Beispiel eine Pizza, die in Vancouver gegessen wird, nicht auch dort produziert werden?
Wie unterscheidet sich die Erwartungshaltung von deutschen und italienischen Kunden?
In Bezug auf gastronomische Produkte sind deutsche Kunden preissensitiver, Italiener eher qualitätsorientiert. Gutes Essen hat in Italien einen höheren Stellenwert in meiner Wahrnehmung.
Internationale Franchising-Ketten bieten seit einiger Zeit auch spezifische Lösungen für Unternehmen an: Wie hebt sich Primo Espresso von der Konkurrenz ab?
Primo Espresso bewegt sich mit dem Betrieb von Coffeeshops in Großunternehmen in einer Nische. Wir betreiben unsere Shops ausschließlich in Eigenregie. Sie sind geprägt von individueller Gestaltung, einer hohen Service- und Qualitätskultur und einer authentischen Dienstleistung.
Kommt das Franchising-Konzept als Chance zur raschen Expansion für Sie infrage?
Kaum. In unserem Marktsegment ist der eigentliche Kunde das Unternehmen, welches erst vertrieblich gewonnen werden muss. Die Mitarbeiter der Unternehmen als zahlende Gäste profitieren dann von der Dienstleistung. Wir als Primo Espresso legen besonderen Wert auf ein qualitatives und stabiles Wachstum.
An welchen Merkmalen erkennen Sie guten Kaffee? Inwiefern schlagen sich diese im Geschmack nieder?
Gute Balance zwischen Bitterkeit und Säure, angenehme Süße und leichte Frucht, ausgewogener Geschmack.
Wie viel Kaffeesatz fällt in Ihren Bars jährlich an und wie wird dieser entsorgt?
Wir erfassen die Mengen nicht. In der Regel wird der Kaffeesatz über die Einrichtungen innerhalb der Unternehmen entsorgt, an manchen Standorten kommt es schon mal vor dass auch Mitarbeiter oder Kunden den Kaffeesatz zum Düngen ihrer Pflanzen mitnehmen.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen Primo Espresso zu gründen?
Mein Bruder und ich hatten Lust, selbstständig etwas aufzubauen und hatten dann die Idee der Coffeeshops, als wir selbst noch in größeren Unternehmen als Angestellte tätig waren. Denn was dort fehlte war ein guter Espresso aus dem Siebträger.
Warum eignet sich Kaffee Ihrer Meinung nach besonders als Bürogetränk?
Kaffee ist fest verankerter Teil unserer Kultur. Er begleitet uns über den ganzen Tag. Morgens zum Frühstück, am Arbeitsplatz, oder unterwegs an der Bar, mit Genuss in der Porzellantasse oder im bewegten Alltag im Becher „to go“. Außerdem bietet Kaffee den besten Anlass für die kurze Pause und unterstützt dadurch informelle Kommunikation in den Unternehmen in ansprechender Atmosphäre.
Einige innovative Kaffeehäuser bedienen sich traditioneller Brautechniken um mit den großen internationalen Ketten zu konkurrieren: Welche Trends zeichnen sich gerade in Ihrer Branche ab und mit welchen Veränderungen kann man in den nächsten 10 Jahren rechnen?
Filterkaffee erfährt ein Revival, vor allem in den „Artisan Coffeeshops“. „Cold brew“, kalt gebrühter Kaffee ist hip, ob es zum Trend reicht wird man sehen. Der Trend geht ganz klar in Richtung Individualisierung der Coffeeshops, viele Kleinröstereien und inhabergeführte Shops werden zukünftig die Szene bereichern. Nachhaltiger Kaffeeanbau, Rückverfolgbarkeit des Kaffees bis zur Kaffeeplantage, fairer und direkter Handel werden an Bedeutung gewinnen, da auch die Konsumenten immer mehr über Kaffee wissen und bewusster ihre Konsumentscheidungen treffen.
Was schätzen Sie am Standort Deutschland?
Für uns ist es ein guter Markt mit vielen Großunternehmen die sich für unser Konzept begeistern. Außerdem ein gutes Umfeld, um Geschäfte anzubahnen und Konzepte auszuprobieren. Ein Gesamtmarkt mit guter Kaufkraft und Größe.
Die Heimat ist eines der Dinge, welches die Südsterne verbindet. Wie erleben Sie das Netzwerk?
Sehr bunt, international und vielschichtig, sympathisch. Gleichzeitig spürt man die Verbundenheit sobald der direkte Kontakt zu Mitgliedern des Netzwerks entsteht.
Was lieben, was hassen Sie am Südtiroler in Ihnen?
Ich selbst kam als Vier-Jähriger mit meinem Bruder und meiner Mutter nach Südtirol, zum Studium bin ich wieder nach München gezogen. Südtirol sehe ich als meine Heimat, meine prägenden Jahre habe ich in Bozen verbracht. Gewöhnungsbedürftig kann die gelegentliche Sturheit der Südtiroler sein, die aber auch ihren Charme hat wenn man weiß wie man damit umgehen muss. An den Südtirolern mag ich besonders ihre Heimatverbundenheit, Lebensfreude und Natürlichkeit, sowie ihren gesunden Pragmatismus.
Richard Berner spielt außerdem privat in einer Coverband. Am Freitag haben seine Band und die Kellogg´s Family aus Bozen einen Auftritt im Dreigroschenkeller in München. „Bayerisch-südtirolerischer Musikgipfel im Rockstadl“ lautet das Motto des Abends. Der Eintritt ist frei.
Interview: Alexander Walzl