„Gewonnene und finanzierte Projekte sind jedes Mal ein Erfolgserlebnis“
Martin Lang forscht derzeit als Postdoctoral Fellow am renommierten National Cancer Institute (NCI) in Maryland. Im Südstern Interview spricht der gebürtige Lajener über den Konkurrenzkampf um Fördermittel, den Hochschul- und Forschungsplatz Italien und seinen Forschungsschwerpunkt.
Herr Lang, Sie haben an der Universität Bologna und Turin in Humanbiologie promoviert und waren Visiting Fellow am renommierten National Institutes of Health (NIH) in Bethesda, Maryland: Was hat Sie persönlich dazu bewogen, diesen Weg einzuschlagen?
Schon während meines Studiums hatte ich den Wunsch eine Zeit im Ausland zu verbringen, um Erfahrungen zu sammeln. Ich glaube, dass ein Aufenthalt im Ausland sehr positiv prägend sein kann, sowohl aus fachlicher als auch aus persönlicher Sicht. Nach der Promotion hatte ich die Gelegenheit über ein Stipendium der italienischen Krebsforschungsgesellschaft (AIRC) ein Jahr lang am National Cancer Institute (NCI) in den USA zu verbringen. Diese tolle Gelegenheit habe ich natürlich gerne angenommen, da das NCI ein weltweit führendes Krebsforschungsinstitut ist. Inzwischen habe ich eine Position als Visiting Fellow in einem aufregenden und stimulierenden wissenschaftlichen Umfeld.
Woran forschen Sie derzeit?
Zurzeit bin ich in einem Labor für urologische Onkologie tätig, das heißt, wir arbeiten an Nierentumoren. Die Projekte unserer Gruppe erstrecken sich von genetischen Studien bis hin zu translationaler Forschung, d. h. der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und angewandter Medizin. Durch genetische Analysen erforschen wir die Erbgrundlagen von Nierentumoren, die gehäuft in Familien vorkommen. Solche Studien geben oft Einblick in die Mechanismen, die zur Entstehung der Tumore führen. Sobald wir diese Mechanismen kennen, können wir versuchen, diese Krebszellen ganz gezielt zu bekämpfen. Im Spezifischen arbeite ich derzeit an einem Typ von Nierenkrebs, der durch die Translokation von Chromosomen, also die Verlagerung von spezifischen Chromosomenabschnitten, verursacht wird. Dieser Typ von Tumoren ist zwar nicht sehr häufig, tritt aber vor allem bei jungen Menschen auf und es gibt bis jetzt noch keine wirksame Chemotherapie.
Welche Aspekte faszinieren Sie dabei besonders?
Mein Chef ist Mediziner und legt sehr viel Wert auf translationale Forschung und genau das macht die Arbeit sehr interessant. Es ist faszinierend und motivierend zugleich, wenn man verfolgen kann, wie die Resultate vom Labor in die klinische Praxis übertragen werden. Es ist eine große Genugtuung, wenn man daran beteiligt sein kann, ein Medikament zu finden, das in Zellkulturen funktioniert und in Tiermodellen Wirksamkeit zeigt, und schließlich in klinische Studien aufgenommen wird.
Italien erlebt gerade eine Massenemigration akademischer Talente, die teils begehrte Stellen an renommierten Hochschulen im Ausland besetzen: Herrscht dort noch immer ein anderes Klima in der Wissenschaft? Ist die Unattraktivität des Wissenschaftsstandortes Italien dann „nur“ auf die chronisch klammen Zustände an den Hochschulen zurückzuführen oder muss sich Ihrer Meinung nach ein grundlegender Mentalitätswandel in Italien und Europa vollziehen?
Viele Länder investieren mehr Gelder in Forschung und Universitäten als Italien und das spiegelt sich natürlich in den Arbeitsbedingungen wider. Ich bin sicher, dass bei ähnlichen Arbeitsbedingungen und der Möglichkeit akademische Arbeitsplätze zu finden, ganz viele Forscher in Italien bleiben würden. Allerdings sehe ich auch, dass sich zurzeit an italienischen Universitäten vieles zum Guten verändert. Zwar gibt es in Italien noch viel Aufholbedarf, aber in letzter Zeit werden immer mehr Forschungsgelder, sei es von öffentlichen Institutionen oder von privaten Stiftungen, durch transparente und meritokratische Auswahlverfahren vergeben. Wenn es die Universitäten schaffen, das System der Vetternwirtschaft zu überwinden und den Kandidaten mit der besten Qualifikation die Stellen anzubieten, dann können italienische Institute auch an der Weltspitze mithalten. Die Qualität der Ausbildung an italienischen Hochschulen ist nämlich meiner Meinung nach im Allgemeinen sehr gut. Auch die wissenschaftliche Leistung, gemessen an den finanziellen Mitteln, ist sehenswert. Wenn die Politik auch noch den Wert der Ausbildung erkennt und akademische Institute dementsprechend fördern würde, könnte Italien sicher ein attraktives Forschungsklima schaffen.
Hat sich in Ihrer Umgebung bereits ein Netzwerk von italienischen Forschern und Studierenden gebildet?
So wie an vielen anderen ausländischen Forschungsinstituten sind auch am NIH sehr viele Italiener beschäftigt. Sie bilden die größte Gruppe unter den europäischen Forschern. Es gibt ein Netzwerk von italienischen Forschern in meinem Institut, über das sich Interessierte regelmäßig treffen, sowohl wegen der Geselligkeit, aber auch um sich wissenschaftlich auszutauschen und Seminare zu organisieren. Des Weiteren gibt es ein großes und gut organisiertes Netzwerk von Italienern in den USA (ISSNAF – Italian Scientists and Scholars in North America Foundation).
Auch die österreichischen Wissenschaftler rund um Washington DC sind gut vernetzt und in einer aktiven Gruppe organisiert (ASCINA - Austrian Scientists and Scholars in North America). Ein monatliches Mittagessen an unserem Institut und regelmäßige Treffen mit Vorträgen und Abendessen fördern den Austausch unter den Mitgliedern.
Darüber hinaus gibt es auch einen monatlichen deutschsprachigen Stammtisch für Interessierte in Washington DC.
Wie erleben Sie den enormen Konkurrenzkampf um Fördermittel?
Da das Institut in dem ich zurzeit arbeite durch öffentliche Gelder finanziert wird, erleben wir hier nicht so einen starken Druck Fördermittel einzubringen. Dennoch habe ich selbst einige Forschungsprojekte eingereicht und weiß, wie hart der Konkurrenzkampf ist und wie stressvoll der Kampf um Fördermittel sein kann. Wenn man aber davon ausgeht, dass die Begutachtung transparent und fair stattfindet, dann ist dies als Teil des Jobs eines Forschers zu sehen. Auch wenn negative Beurteilungen niederschmetternd sein können, sind gewonnene und finanzierte Projekte jedes Mal ein Erfolgserlebnis.
Wie können Sie am besten abschalten und Ihre Batterien aufladen?
Washington DC bietet eine ganze Reihe von interessanten kulturellen Veranstaltungen und fast alle Museen der Stadt sind frei zugänglich. Die junge und ständig wechselnde Bevölkerung der Stadt ermöglicht ein reiches kulturelles Tag- und Nachtleben.
Am besten Abschalten kann ich allerdings beim Klettern in den Appalachen oder beim Wandern entlang des Flusses Potomac. Die Landschaft hier ist zwar weniger rau als in den Alpen, aber vor allem der Frühling und Herbst können sehr angenehm und schön sein.
Was treibt Sie an und wie gehen Sie mit Rückschlägen um?
Inzwischen habe ich ein Netzwerk von guten Freunden gefunden, mit denen ich mich über alles unterhalten kann. Auch hilft es zu wissen, dass meine Familie in Südtirol hinter mir steht.
Was fehlt Ihnen am meisten an Südtirol?
Die Berge! Ich verbringe gerne meine freie Zeit in der Natur und es gibt kaum einen Platz, wo die Umgebung so beeindruckend und aufregend ist wie in Südtirol.
Auch auf eine gute Jause mit Speck und Schüttelbrot freue ich mich bei jedem Heimataufenthalt.
Wie erleben Sie Südstern?
Ich habe mich erst vor ca. einem Jahr bei Südstern angemeldet und war 2015 zum ersten Mal beim Jahrestreffen dabei. Das Netzwerk ist meiner Meinung sehr geeignet, um sich zu vernetzen und auszutauschen und Südtiroler zu treffen, die auf der gleichen Erdseite und im gleichen „Ausland“ leben.
Interview: Alexander Walzl