„Es hätte nicht besser für mich laufen können“

Donnerstag, 22.09.2016

Ganz frisch aus dem Ausland zurück sieht man Südtirol mit anderen Augen. Diesen Blick haben wir eingefangen. Hannes Mahlknecht (43) ist nach über zwanzig Jahren im Ausland wieder nach Südtirol zurückgekehrt. Warum die Rückkehr das Beste ist, was ihm passieren konnte, wie er seinen Weg „nach Hause“ gefunden hat und warum auch andere den Schritt wagen sollten, erzählt er uns im Südstern-Interview. 


Fürs Studium ins Ausland, dort erstmal Karriere machen, alle Möglichkeiten auskosten und dann wieder nach Südtirol zurückkehren – irgendwann mal. So oder so ähnlich hört sich der Plan vieler SüdtirolerInnen an, die den Schritt ins Ausland wagen. Doch einmal Fuß gefasst, wird die Rückkehr in die Heimat immer schwieriger. Das kennt Hannes Mahlknecht nur zu gut. Zum Studium ist der 43-Jährige aus Prad im Vinschgau nach München gezogen, baute dort sein eigenes Unternehmen auf, machte Karriere als Manager und gründete eine Familie. Doch immer sehnte er sich nach seiner Heimat. Als er eine Rückkehr schon fast aufgegeben hatte, kam es doch anders. Wir haben ihn an seinem neuen Arbeitsplatz in Brixen besucht. 

Willkommen in Südtirol! Seit Januar sind Sie wieder zurück in der Heimat – fühlt sich die Entscheidung immer noch gut an? 

Ja, allerdings! (lacht) Im Ausland habe ich vor allem die Berge, die Natur und besonders die Menschen vermisst. Südtirol hat sich in den letzten Jahren prächtig entwickelt, so dass man sich auch beruflich wohlfühlen kann. Hier kann ich mich auf meine Mitarbeiter und Kollegen zu hundert Prozent verlassen, wir haben dieselbe Arbeitsphilosophie und denselben Humor. Die Chemie stimmt einfach! 

„In Südtirol ist es einfacher, dieselbe Wellenlänge zu finden – es ist als hätte man eine gemeinsame DNA.“ 

Diese Mentalität macht das Zusammenarbeiten sehr angenehm.

Hat sich Ihre Perspektive auf Südtirol geändert, seit Sie zurück sind? 

Ja, auf jeden Fall. Früher dachte ich immer: „Vieles in Südtirol ist mir zu kleinkariert und nicht meins.“ Das mag auch etwas arrogant gewesen sein. Das hat sich jetzt geändert. 

Wie kam es zur Rückkehr und wie schwierig war es, eine attraktive Stelle in Südtirol zu finden? 

Ich hatte immer schon den Wunsch, eines Tages zurückzukehren und habe mich schon zuvor in Südtirol engagiert und umgesehen. Es gibt hier nicht so viele größere, internationale Unternehmen, sondern fast nur kleine Familienunternehmen. Das ist grundsätzlich gut, aber für mich, als internationalen Manager, sah ich da fast keine Anlaufstelle. Gerade im Moment, als ich dann schon dachte: „Das wird nix mehr!“, rief mich ein Headhunter aus Wien an und sagte: „Ich hätte da was für dich!“ Und ich darauf: „Das glaub‘ ich nicht!“ 

 „In Südtirol leben zu dürfen und auf der Welt zuhause zu sein – das ist ein Traum.“ 

Es hätte nicht besser für mich laufen können! Als internationale Gruppe mit Standorten in Deutschland und South Carolina suchte die Alupress AG einen Manager mit internationaler Erfahrung. Insbesondere bei Alupress wird es geschätzt, dass man einen neuen Blick auf die Dinge hat und offen ist für Veränderungen. Unser Unternehmen sucht immer Leute, die entweder internationale Erfahrung sammeln wollen oder aus dem Ausland zurückkehren möchten.

Drehen wir die Zeit zurück – Ihre Karriere haben Sie mit einem ziemlich erfolgreichen Startup begonnen.

Ich habe Informatik an der TU München studiert und 1998 mit zwei Südtiroler Studienkollegen ein eigenes Unternehmen gegründet – das typische Startup. Zu dritt haben wir in unseren Studentenbuden mit dem Software-Engineering angefangen. Wir waren sehr spezialisiert, sehr fachspezifisch und boten internetbasierte B2B-Anwendungen an. Nach zwei Jahren hatten wir unseren Durchbruch. Wir bekamen Aufträge von Siemens, Bayer AG und Thales. Wir waren mit unseren Lösungen wahnsinnig innovativ, sonst hätten wir nie solche großen Kunden an Land gezogen. Es waren aber auch die goldenen 2000er der IT-Branche (lacht). 

Drei Informatiknerds tüfteln in ihrer Garage und schaffen damit den Durchbruch – darf man sich das so vorstellen? 

Nicht in der Garage, aber im Studentenbungalow! Wir sind mit unserem Unternehmen mitgewachsen. Klar, wenn wir eine fixe Anstellung angenommen hätten – und Angebote hatten wir alle drei – wir hätten viel mehr verdient. Aber wir hatten diese Idee und wollten sie verfolgen – da führte kein Weg daran vorbei.

„Die Anfangszeit war die härteste Zeit, aber gleichzeitig auch die schönste.“

Irgendwann ging der Knoten auf und wir bekamen Großaufträge wie etwa jenen der Bayer AG. Das war ein unglaubliches Risiko für das Großunternehmen – und für uns erst (lacht). Dass man aus dem Nichts so viel erreichen kann – das ist ein unglaubliches Erfolgserlebnis. Ich bin dann 2008 ausgestiegen, aber das Unternehmen gibt es heute noch. 

Sie haben einen Executive MBA in St. Gallen absolviert und als Manager gearbeitet. Was ist vom Startup-Spirit geblieben? 

Das Unternehmerische trägt man immer bei sich. Man betrachtet das Unternehmen in seiner Gesamtheit und nicht nur einen Ausschnitt davon. Darüber hinaus entwickelt man als Gründer auch Willen, Motivation und einen unbändigen Ehrgeiz, erfolgreich zu sein. 

„Wer Karriere im Unternehmen machen möchte, muss aus seiner Komfort-Zone herausgehen!“

Beim Arbeiten in einem großen Unternehmen kommt es aber eher darauf an, dass man Spaß daran hat, auf gleicher Augenhöhe mit anderen zusammenzuarbeiten. Learning by doing ist hier weniger angesagt. Man neigt auch gerne dazu, sich in der eigenen Komfort-Zone zu bewegen. 

Sie sind aus Ihrer Komfort-Zone ausgebrochen und wieder zurück in die Heimat. Was zeichnet Südtirol als Standort aus?

Südtirol hat eigentlich die ungünstigsten Voraussetzungen für Industrieunternehmen: Vollbeschäftigung - man findet also schwer Fachkräfte, extrem hohe Lohnnebenkosten, hohe Steuern auf Energie und auch Grund und Boden sind extrem teuer. 

„Trotz ungünstigster Voraussetzungen sind Südtiroler Unternehmen erfolgreich.“  

In meinen Augen hat es mit dem Südtiroler als Menschen zu tun. Die Mitarbeiter legen sich unglaublich ins Zeug, sind loyal, leistungswillig sowie kreativ und tragen somit zum Erfolg eines Unternehmens bei. Aber es gibt auch noch andere Faktoren. Inzwischen gibt es ein großes Fortbildungsangebot, eine Universität sowie Fachschulen. Südtirol liegt auch geographisch günstig und ist gerade für deutsche Unternehmen, die nach Italien expandieren wollen, sehr attraktiv. Die Sprachvorteile sind für Unternehmen auch ein Plus. Nebenbei haben wir eine funktionierende Infrastruktur, was Verkehr, Strom und Internet angeht.  

Sie arbeiteten als Manager in Italien, Österreich und Deutschland. Arbeitet der Italiener anders als der Deutsche – oder der Südtiroler?  

Als Beteiligungsmanager war es meine Aufgabe, ein Unternehmen in relativ kurzer Zeit weiterzuentwickeln, wirtschaftlich voranzubringen, um es dann wieder zu verkaufen. Dafür war ich jeweils 1-2 Jahre in Wien, in Bologna und später in Frankfurt. Der Italiener arbeitet grundsätzlich anders als der Deutsche oder der Südtiroler. Er ist sehr kommunikativ und kreativ, hat aber Schwierigkeiten mit Strukturen und Organisation – da treffen die Klischees einfach zu. Erst wenn die Situation eskaliert, wird der Italiener kreativ. Dieser Stil hat seine Vor- und Nachteile. Wenn man mit den Vorzügen gut umgeht, dann kann man sehr erfolgreich zusammenarbeiten. Ich bin in Italien tollen Leuten und Mitarbeitern begegnet und es gibt dort viele interessante Unternehmen. Aber im Zuge der Globalisierung hat Italien enorm verloren. Viele mittelständische Firmen waren nicht in der Lage, sich zu internationalisieren. 


Viele Südsterne spielen mit dem Gedanken, nach Südtirol zurückzukehren – es bleibt aber oft nur ein Gedanke. Welche Vorzüge hat eine Rückkehr nach Italien und welchen Hürden sind Sie begegnet? 

Als Familienvater war ich überrascht, welche Bedingungen den Kindern geboten werden. Die Schulklassen hier haben oft nur etwa 13 Schüler, in Deutschland liegt der Durchschnitt bei 26 bis 30 Kindern pro Klasse. Unsere Kinder haben die neue Schule und ihre Klasse an einem Schnuppertag schon kennengelernt und haben sich so wohlgefühlt, dass sie nicht wie geplant nur bis zur Pause, sondern bis Schulschluss bleiben wollten. 

"Auch steuerliche Vorteile hat eine Rückkehr – das wusste ich zuvor gar nicht."

Das Programm „rientro cervelli“ sieht für Italiener, die aus dem Ausland zurückkehren, steuerliche Begünstigungen von 30 Prozent über fünf Jahre vor. Man hat in Italien zwar eine hohe Steuerlast, aber diese steuerlichen Begünstigungen sind beträchtlich. 

Ein Nachteil – verglichen zu Deutschland – ist das Gesundheitssystem. Die Leistungen der Gesundheitskassen sind in Deutschland viel weitreichender. Hier muss ich für einen Arzttermin manchmal drei Monate warten und fast jede Leistung bezahlen. Auch die Präventivmedizin, wie etwa eine Zahnarztkontrolle muss man in Italien selbst bezahlen. In Deutschland sind Vorsorgeuntersuchungen jeglicher Art erwünscht und werden von den Kassen übernommen – in Südtirol muss man das selbst finanzieren, obwohl man sehr hohe Beiträge in die Kasse einzahlt. 

Den Umzug von Deutschland nach Italien mit Familie bürokratisch zu bewältigen, war auch schwierig. Da merkte ich, dass die Ämter etwas überfordert sind.

Wie haben Sie sich und Ihre Familie auf die Rückkehr vorbereitet? 

Auch wenn ich im Ausland war, habe ich immer den Kontakt zu Familie und Freunden gepflegt. Das Elternhaus war mir immer wichtig und von München aus, konnte ich den Kontakt auch immer pflegen. Schon in Wien wäre das schwieriger. Da kann man nicht so einfach übers Wochenende nach Südtirol fahren.

„Bei mir war der Wunsch, einmal in Südtirol zu leben immer stark vorhanden – das wusste meine Frau bereits als ich sie kennengelernt habe.“ 

Einmal pro Monat sind wir mit unseren Kindern nach Südtirol gefahren und wir haben uns immer „sauwohl“ gefühlt. Ich habe meiner Familie Skifahren beigebracht und wir waren oft hier zum Wandern. Meine Familie blieb zunächst noch in Sauerlach bei München wohnen und ist erst im August nach Südtirol gezogen. Unser Headquarter schlagen wir im Vinschgau auf, wo ich aufgewachsen bin. Leider habe ich mit meinen Kindern nicht im Südtiroler Dialekt gesprochen – aber den werden sie schnell lernen!

Würden Sie anderen Südsternen eine Rückkehr weiterempfehlen? 

Absolut – trotz bürokratischer Hürden (lacht). 

Interview: Alexandra Hawlin

Hannes Mahlknecht (43) ist in Prad im Vinschgau aufgewachsen. Nach dem Besuch der Gewerbeoberschule in Bozen studierte er Informatik im Hauptfach und Architektur im Nebenfach an der Technischen Universität in München. 1998 gründete er zusammen mit zwei Südtirolern das Startup „INTERASCO vormals MBN InterLAB in München“, welches innovative, internetbasierte Softwarelösungen anbietet, ab 2009 absolvierte er einen Executive MBA in St. Gallen und arbeitete als Beteiligungsmanager beim Restrukturierungsfond BluO International und 4K Invest. Seit Januar 2016 ist der dreifache Familienvater Geschäftsführer und Verwaltungsrat der Alupress AG, die ihren Sitz in Brixen hat. 


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