Leben in Kathmandu. Südstern Navyo Eller erzählt.

Samstag, 05.02.2011

Der Strom fällt in Kathmandu im Durchschnitt fünf mal täglich aus. Wasser ist in sehr begrenztem Ausmaß verfügbar. Trotzdem hat der Meraner Navyo Eller hier mit seiner Frau Manju und seinem Sohn Mudran seinen Lebensmittelpunkt gefunden. In einem I...

Der Strom fällt in Kathmandu im Durchschnitt fünf mal täglich aus. Wasser ist in sehr begrenztem Ausmaß verfügbar. Trotzdem hat der Meraner Navyo Eller hier mit seiner Frau Manju und seinem Sohn Mudran seinen Lebensmittelpunkt gefunden. In einem Interview gibt er einen kleinen Einblick in seinen Alltag und in die Dinge die ihn bewegen.

 

2010-07

 

Navyo mit Manju und Mudran, vor ihrem Haus.

Südstern: Navyo klingt nicht nach einem Südtiroler Namen - was steckt hinter diesem Namen?

Navyo Eller: Den Namen bekam ich 1982 von meinem damaligen spirituellen Meister in Indien, er gefiel mir nicht nur wegen des Sinnes dahinter, sondern auch phonetisch. So wurde er zu meinem wirklichen „neuen“ Namen.

S: Was hat Dich angetrieben in jungen Jahren ins Ausland zu gehen?
N: Die Welt zu sehen, Abenteuer erleben. Klingt banal, ist aber mehr oder weniger so. Asien mit seinen geheimnissvollen, spirituellen Aspekt war natürlich ein Argument. Und den Everest will man gesehen haben. Der beeindruckt auch jeden Südtiroler Bergfex einigermassen.

Shamanen Zeremonie in Nepal

S: Du bist über mehrere Stationen - USA, Kanada, etc. - schließlich nach Kathmandu gekommen. Warum bist du dort "sesshaft" geworden?
N: Die Berge des Himalaya erinnern mich an Südtirol, die Bergbewohner an vieles was ich als Kind noch in Südtirol sehen konnte und die Himalayatäler sind gigantischen Ausmaßes und werden von interessanten Völkern bewohnt.

Ausblick auf Lhotse und Everest

S: Was sind die größten kulturellen Unterschiede zwischen Südtirol und Kathmandu?
N: Die Religionen und damit die Sichtweise der Welt und des Geschehens um uns herum. Die Familie und Kaste hat sehr großen Einfluss auf das Individium trotz des modernen, hektischen Lebens in den größeren Städten. Und man hat sehr viel Zeit, Mangelware in Europa.

S: Sprichst Du mit Deinem Sohn südtirolerisch?
N: Eigentlich sehr wenig, wir sprechen einen Mix von Nepali, Englisch und Italienisch. Die italienische Sprache haben wir bisher der Deutschen vorgezogen, weil wir beruflich hauptsächlich mit Italienern zu tun haben. Deutsch kommt auch erst langsam nach, vor allem weil Mudran bereits 5 Sprachen (Englisch-Nepali-Hindi-Italienisch-Fanzösich) gut kennt und noch 2-3 weitere etwas versteht.Sein Deutsch wird langsam auch besser, weil er sich natürlich stark für die Heimat und Kultur seines Vaters interessiert.

Bei einem Schulprojekt

Bei einem Schulprojekt

S: Wie sieht - kurz zusammengefasst - Dein typischer Tagesablauf aus?
N: Aufstehen zwischen 6-6:30 Uhr, gemeinsames Frühstücken. Manju (meine Ehefrau) leitet die Büros und verlässt das Haus um 8 Uhr zusammen mit unserem Sohn. Ich arbeite dann ab ca. 8 Uhr im eigenen Studio im Haus, außer es stehen Meetings an oder ich will mir was ansehen oder Freude treffen. Gegen 17 Uhr sind wir wieder zusammen. Den Abend verbringe ich meistens mit der Familie, manchmal mit Freunden und wenn viel zu tun ist wird auch mal bis 22 Uhr gearbeitet.

S: Du bist mit Deiner Frau im Tour-Operator Geschäft tätig. Spürt ihr was von der Wirtschaftskrise?
N: Eigentlich nicht. 2010 ist eines der besten Jahre für das Unternehmen. Als kleines-mittleres Unternehmen wachsen wir fast unabhängig von der Wirtschaftskrise. Unsere Region erfreut sich guter Zuwachsraten, die zwar zwischendurch auch sinken, aber meist mehr wegen politischer Umstände wie die Unruhen 2008 in Tibet. Nepal selbst spürt wenig von der Wirtschaftskrise, da es kaum Industrie gibt und damit wenig Abhängigkeit. Der wenige Export aber fluktuiert enorm.

Biker in Tibet: Navyo Eller und seine Frau sind im Tour-Operator Geschäft tätig.

Biker in Tibet: Navyo Eller und seine Frau sind im Tour-Operator Geschäft tätig.

S: Wie stehts mit der Infrastruktur in Kathmandu? Telefon, Internet, Strom - alles für alle da?
N: In Kathmandutal sind die Infrastrukturen natürlich die besten im Land. Internet Cafes gibt es aber an jeder Ecke und praktisch jeder hat ein Handy. Beides funktioniert meistens. Das größte Problem ist die Wasser- und Stromversorgung, die ist katastrophal schlecht. Mehr als ein paar Liter pro Kopf und Tag ist für die meisten gar nicht möglich in Kathmandu. Durchschnittlich gibt es 5x am Tag eine Stromunterbrechung. Selbst im Monsun sind es 2 Stunden, zwischen Januar bis Mai können es aber gut und gern 12 Stunden und mehr pro Tag sein.Für viele Betriebe ist es ein Problem, da nur offizielle „Industriezonen“ extra Strom erhalten. Der normale Bürger sitzt dann aber im Dunkeln.

S: Du erforschst verschiedene Aspekte der Region und schreibst für internationale Medien. An welchem Thema arbeitest Du aktuell?
N: Am historisch-religiösen Hintergrund einer im Wasser ruhenden Steinfigur des Hindugottes Shiva die ich erst vor einigen Monaten „gefunden“ habe. Eine liegende Figur ist extrem aussergewöhnlich. Für den Ausenstehenden wenig interessant, aber für das Verständnis der Ikonographie des Hinduismus sehr interessant.  Wer das veröffentlichen wird, weiss ich aber noch nicht. Aktuell in Druck geht ein Artikel zur Krönung des 5. Königs von Bhutan, Jigme Khesar Namgyel Wangchuck. Da hab ich extra meine Zwilliingsschwester und einen sehr guten Freund aus Südtirol „mitgenommen“.

Navyo Eller bei der Krönung des 5. Königs von Bhutan

Navyo Eller bei der Krönung des 5. Königs von Bhutan

S: Was vermisst Du aus Südtirol am meisten?
N: Auch Heimat, Speck und Knödl, aber wohl am meisten  die Sauberkeit und eine funktionierende Verwaltung, 24 Stunden Strom und Wasser sowie eine funktionierende soziale und medizinische Assistenz.

S: Fotografie ist Deine Leidenschaft. Was fängst Du amliebsten ein?
N: Landschaft, Portrait,Architektur, Festivals, politische Ereignisse.

S: Warum bist Du bei Südstern?
N: Ein Platz, ein „Stern“ wo viele interessante und weltoffene Südtiroler die Südtirol verlassen haben sich vereinen, unter anderem auch um ihre kulturelle Verbindung und Wertschätzung für die Heimat zu erhalten und gleichzeitig ein Netzwerk. So eine Art moderne „Heimatfernengruppe“ der etwas anderen Art.

Fotos: Navyo Eller (c)

Interview: Thomas Mur

 

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