Forschung: Jetzt und hier? Unbedingt!

Freitag, 16.09.2022
Südtirol und Forschung: Das verbinden viele nicht auf den ersten Blick. Warum das so ist, weiß Eurac- Präsident Roland Psenner. Wir haben ihn gefragt, was der Südstern-Partner Eurac eigentlich macht. Warum Südtirol vom Status Braindrain zur Phase Braingain wechselt – hier ist seine Antwort.

 

 

Was macht eigentlich die Eurac? 

Roland Psenner: Eine Frage, die ich immer wieder höre und die einfach zu beantworten ist: alles! Zumindest alles, was in Südtirol wissenschaftlich erforscht werden muss, und da beginnen wir historisch mit den Sprachen und Minderheiten, mit Föderalismus und Autonomie, Regionalentwicklung und öffentlicher Verwaltung. Es folgten die Institute zur Erdbeobachtung und zur Erforschung der Alpinen Umwelt, das Institut für Höhen- und Notfallmedizin, das Mumieninstitut und schließlich die beiden größten Institute für Biomedizin und erneuerbare Energie. 

Damit ist auch die Thematik unserer Forschung umrissen, die von einer großangelegten Bevölkerungsstudie (inzwischen erweitert um die Pandemieproblematik) bis zur thermischen Sanierung ganzer Stadtteile und – weltweit ein- und erstmalig – zur experimentellen Höhenmedizin reicht und sich mit der Evolution des menschlichen Mikrobioms im Laufe des Holozäns, aber auch mit der Weiterentwicklung der Autonomie befasst, ein weltweit gefragtes Beispiel für die Überwindung von Krisenherden. 

Eurac Research steht also vor einer doppelten Herausforderung: einerseits wissenschaftliche Brillanz (ohne die gibt es keine Forschungsmittel), andererseits Relevanz für Südtirol (ohne diese verlören wir einen Teil unserer Daseinsberechtigung). Dass wir jeden Euro der Landesregierung durch Drittmittel verdoppeln und fünfmal so viele Gelder für Forschungsprojekte verwalten, als wir als Grundfinanzierung erhalten, ist ein Erfolgsnachweis, der auch für Menschen einleuchtend ist, die sich nicht täglich mit Forschung befassen. 

 

© Fotocredit: Eurac Research/Ivo Corrà

 

Schwieriger ist die Frage zu beantworten, die ich leider immer noch ab und zu höre (und die sich in Innsbruck, Padua, Zürich, Wien etc. seit Jahrhunderten nicht mehr stellt): Warum muss man in Südtirol forschen? Diese Frage geht auf die Vorstellung zurück, dass wir unsere besten jungen Leute an Universitäten und Forschungszentren im In- und Ausland schicken und sie exzellent ausgebildet zurückkommen. Was natürlich nur dann der Fall wäre, wenn es hier die entsprechenden Arbeitsplätze gäbe. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt: Forschungsstarke Universitäten ziehen die besten Studierenden an und diese bleiben nach Abschluss ihres Studiums dort, wo im Umkreis von Forschung und Wissenschaft attraktive Arbeitsplätze entstehen. 

Eine Frage also, die in der realen Welt bereits beantwortet wurde. Bleibt die Hoffnung, dass ich nach 30 Jahren Eurac Research und 25 Jahren Uni Bozen nicht mehr allzu oft auf diese Frage eingehen muss. Ein Blick in den NOI Techpark zeigt, wohin die Reise gehen könnte, und 75 Forscherinnen und Forscher von 36 Universitäten, die an der Eurac ihre Doktorarbeit schreiben, sind ein weiterer Beweis dafür, dass Südtirol vom Status Braindrain zur Phase Braingain gewechselt hat. 

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