Die Sprache der Pflanzen sprechen

Freitag, 25.11.2022
ELMAR MAIR ist seit dem Besuch des Realgymnasiums fasziniert von künstlicher Intelligenz. Der gebürtige Brunecker studiert Informatik an der TU München und arbeitet im Anschluss am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums. 2014 macht er den Sprung über den großen Teich. Seine Stationen in den USA: Bosch Research and Technology Center North America, Lucid Motors, X-The Moonshot Factory. 2020 gründet er Neatleaf. Das Start-up will mit Automation die Landwirtschaft zukunftsfähiger machen.

 

 

Wenn Elmar Mair beschreiben muss, was ihn beruflich am meisten reizt, braucht er nur einen Satz. „Am Anfang steht immer eine krasse Idee”, sagt er. So war es, als er am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums arbeitete. Und auch, als er 2014 den Sprung über den großen Teich wagte. Er fing am Bosch Research and Technology Center North America in Palo Alto in Kalifornien an und wechselte später von diesem sicheren Arbeitsverhältnis zum Start-up Lucid Motors. Die Frage des autonomen Fahrens prägte fortan seinen beruflichen Alltag. Auch als Tech Lead & Manager bei X-The Moonshot Factory, einer Innovationswerkstatt von Alphabet, dem Mutterkonzern von Google, kümmerte er sich um Robotik und Automation. Der Job bei X, eine sichere Bank. Und was macht Mair? Beschließt im Juni 2020, mitten in der weltweiten Pandemie, ein eigenes Start-up zu gründen: Neatleaf, was so viel heißt wie tolles Blatt. Schließlich steht am Anfang immer eine krasse Idee. 

Die lautet im Fall von Neatleaf so: Warum sein Wissen über mobile Roboter und Automation nicht in der Landwirtschaft einsetzen und die Arbeit für Bauern dadurch ein bisschen einfacher und die Welt ein bisschen besser machen? Wie schwierig und mühsam der Anbau in der Landwirtschaft sein kann, das wusste Mair ja aus seiner Heimat Südtirol. Bruneck ist von Wald und Wiesen umgeben, Kartoffelacker und Maisfelder prägen das Bild. 

Völlig neu ist der Ansatz von Neatleaf nicht. Automation und innovative Technologien gibt es in der Landwirtschaft seit Jahrzehnten, aber es bleibt viel zu tun. Der Markt: schwierig zu durchdringen. „Bauern sind laut Studien in den ersten fünf Jahren ihrer Tätigkeit experimentierfreudig. Danach sind sie für Veränderungen nur noch schwer zu begeistern.” 

Dass sie in Zukunft mehr wagen müssen, dazu hat auch Corona beigetragen. Länder, die hauptsächlich auf Import setzen, standen im ersten Lockdown plötzlich ohne Lebensmittel da. Singapur zum Beispiel. Jetzt beginnt dort ein Umdenken: 30 Prozent sollen mindestens im eigenen Land angebaut werden. 

 

Photo: © Unsplash/Steven Weeks

 

Im Juli hatte Mair den letzten Tag bei X, im August brachte er bereits seinen Prototypen bei einem Bauern unter. Landwirtschaft begeistert ihn. „Du bist nicht fünf Jahre im stillen Kämmerlein, feilst am Produkt und dann heißt es: nein, geht nicht. Du kannst Automation mit dem Kunden entwickeln und mit jedem Schritt einen Mehrwert schaffen.” 

Jetzt will er die Sprache der Pflanzen verstehen lernen. Was kompliziert klingt, ist im Grunde simpel. Die eine Sorte ist zuverlässig und robust wie ein Esel, leistet aber nicht so viel. Die andere hat die Stärken eines Rennpferds, ist aber empfindlich und fragil. Wie können Technik und Automation das Beste aus beiden Sorten herausholen? Indem die Umgebung optimiert wird. Etwa durch eine auf die Pflanze zugeschnittene Zufuhr von Nährstoffen und Wasser. 

In Kalifornien, wo Mair seit Jahren lebt, ist Wassermangel ein riesiges Problem. Datengetriebene Systeme helfen, Wasser zu sparen und den Anbau nachhaltiger zu machen. „Hier etwas zu ändern, ist dringend notwendig”, sagt Mair. „Bis 2050 werden zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Um sie alle ernähren zu können, müssen wir den Anbau verdoppeln.”

Neatleaf, das sind Elmar Mair und Ralf Schönherr, den er bei X kennengelernt hat. Noch ist das Team klein, eine Handvoll Leute helfen mit, Berater stehen dem Start-up zur Seite. Diese kleinen dynamischen Gegebenheiten reizen Mair, weil die Entscheidungsfindung nicht so lange dauert wie in großen Unternehmen. 

Für die Gründung hat er alles auf eine Karte gesetzt und sein Eigenkapital genutzt. Diesen Schritt bereut er keine Sekunde. Auch wenn er weiß, dass die Überlebenschancen eines Start-ups sehr gering sind. Dann zieht er einen Vergleich heran: In der Automobilbranche haben die Großen lange dominiert, dann kam Tesla und plötzlich musste auch die erfolgsverwöhnte Automobilbranche anfangen, ihre Produkt zu überdenken. Warum, sagt sich Elmar Mair, sollte Neatleaf das in der Landwirtschaft nicht auch schaffen? 

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