"Ich hab' den coolsten Job der Welt"
Gerd Pircher (39) ist Head of Strategy & Planning Europe bei HSBC. Im Gespräch mit Doris Salzburger in der Londoner City erzählt der aus St. Georgen bei Bruneck stammende Finanzprofi wo auf der Welt er schon überall tätig war, warum er fast ausgestiegen wäre und was er von der derzeitigen Problemen in der Finanzbranche hält.
Seit mehr als 17 Jahren ist Gerd Pircher in der internationalen Finanzbranche tätig, war unter anderem für die internationale Großbank HSBC in Dubai, Hongkong, Bangkok, Sao Paulo und Mailand und leitet derzeit in London deren europäische Strategieabteilung. Vor kurzem wurde er in den Talentpool der HSBC aufgenommen, eine Art Förderkreis der weltweit 200 vielversprechendsten Nachwuchsmanager und demnach die zukünftige Führungsriege der Bankengruppe.
Seine beruflichen Stationen führten ihn in neun verschiedene Länder und er kann sich fließend in Deutsch, Italienisch, Englisch und Portugiesisch sowie – in seinen Worten „halbwegs – auch auf Französisch verständigen. Gerd ist ein äußert erfolgreicher Banker, der, ob seines jungen Alters, auf eine glänzende Karriere zurückblicken kann und dabei noch vieles vor sich hat. Neben seiner beeindruckenden beruflichen Laufbahn ist Gerd auch Hobbybergsteiger, Freizeitgourmet, Ehemann und dreifacher Vater.
Ich treffe mich mit Gerd in einem Restaurant im Londoner Finanzdistrikt Canary Wharf und bin sehr dankbar dafür, dass er sich trotz seines vollen Terminkalenders die Zeit nimmt, mich zu treffen um mit mir über seinen Karriereweg und seine Sicht auf die Finanzwelt zu sprechen.
Aufgrund seiner beruflichen Position unterhält sich Gerd täglich mit Spitzenmanagern der eigenen Bank, sitzt an einem Tisch mit dem CEO der HSBC, Stuart Gulliver, und tauscht sich mit den Größen der internationalen Finanzwelt aus, doch dabei hat er kein bisschen die Bodenhaftung verloren. Im Gegenteil, er selbst beschreibt seinen Karriereweg als Resultat davon, Chancen und Möglichkeiten gegenüber offen zu sein. Aus meiner Sicht scheint dies allerdings eine Untertreibung seiner Fähigkeiten und keine gebührende Würdigung seines Erfolges zu sein.
Die Karrierestationen: Dubai, Hongkong, Thailand, Seoul, Indien, Brasilien, London, Düsseldorf, Mailand...
Den Grundstein für seine berufliche Laufbahn hat Gerd nach Abschluss der Handelsschule in Bruneck/Südtirol mit seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre zunächst in Parma und dann in Wales, gelegt. Bewaffnet mit einer dreisprachigen Ausbildung, jeder Menge Enthusiasmus und viel Talent hat sich Gerd bei HSBC um einen Platz in deren International-Manager-Programm beworben und sich seit seiner Einstellung stetig nach oben gearbeitet. HSBC’s International Manager sind eine Art internationale Schnelleinsatztruppe, denen gewollt besonders vielseitige Karrierewege aufgemacht werden. Als Mitglied dieses HSBC-internen Kaders, welcher nur ca. 400 Mitglieder umfasst, war er in verschiedenen Managementpositionen in Dubai, Hongkong und Thailand tätig, war kurzzeitig für die Bank in Seoul stationiert, gefolgt von Projektarbeit in Indien und einer Entsendung nach Brasilien. Dort leitete er unter anderem die Restrukturierung und Integration einer durch Akquisition übernommenen Außenhandelsabteilung in die HSBC Gruppe.
Zweifel am Banker-Dasein kamen ihm irgendwann während seines Aufenthaltes in Sao Paulo. Jedoch fand er nach einer Auszeit, die Gerd für einen MBA an der Business School IMD in Lausanne genutzt hat, zu seiner alten Leidenschaft und der Tätigkeit für HSBC zurück und hat andere hochkarätige Jobangebote zugunsten seines früheren Arbeitgebers ausgeschlagen. Darauf leitete er kurz einige HSBC Filialen in Cambridge, verschrieb sich dann aber nahezu exklusiv über sieben Jahre lang dem Investment Banking. Dieser Geschäftsbereich brachte ihn nach London, Düsseldorf und Mailand, wo er zuletzt das Großfirmenkundengeschäft für ganz Italien verantwortete.
Die "Pircher Family" bei der Erstkommunion in St. Georgen
Seit Ende 2011 ist Gerd für die strategische Ausrichtung der Großbank in Europa verantwortlich und prägt die mittel- bis langfristigen Zielsetzungen dieser in der Region. Sein Aufgabenbereich umfasst das Definieren von regionalen Schwerpunkten, sowie Mitgestaltung und Implementierung der globalen Strategie der Universalbank. Überdies koordiniert er länder- und produktübergreifende Implementierungsprozesse und stellt sicher, dass die strategische Marschrichtung der Bank in Europa stimmt und zum Gesamterfolg der Bankengruppe konkret beiträgt.
Wohin geht die Reise im derzeitigen Finanzsystem?
Doch was benötigt ein Manager wie Gerd diese Aufgaben zu erfüllen und auszufüllen? Er muss nicht nur Trends und Entwicklungen erkennen können, sondern auch die Bedeutung dieser für die vielen verschiedenen Bereiche seiner Bank verstehen und mit Spezialisten darüber diskutieren können. Leiter der europäischen Strategieabteilung eines der größten weltweiten Bankinstitute zu sein ist darüber hinaus ein intellektuell sehr anspruchsvoller Job, der Gerd täglich vor neue Herausforderungen stellt. Trotzdem, oder gerade auch deshalb, hat Gerd große Freude an seiner Tätigkeit. Er selbst beschreibt seinen derzeitigen Job, in Europa und in einem der volkswirtschaftlich schwierigsten Moment der Geschichte, als einen der spannendsten überhaupt und lobt die Bereitschaft der aktuellen HSBC Führungsriege Themen offen am runden Tisch zu diskutieren.
Wohin denn die Reise des derzeitigen Finanzsystems gehe, frage ich, und Gerd gibt zu bedenken, dass die derzeitige Krise die Konsequenz einer nicht nachhaltigen Wirtschafts- und Finanzpolitik sei, die sich im Zuge einer noch nie da gewesenen volkswirtschaftlichen Stabilität in den vorhergehenden 15 bis 20 Jahren etabliert habe. Dabei seien die Kapitalniveaus der Finanzinstitute relativ zu ihrer Bilanzgröße sowohl gewollt verringert worden um die Rendite zu erhöhen, als auch ungewollt als Resultat mangelnder Überschaubarkeit der Hebelwirkung derivativer Produkte und falscher Anreizsysteme für Händler. Um nun dem Verlangen der Investoren, Regulatoren und Kunden nach erhöhter Transparenz nachzukommen, ist es Gerds Meinung nach daher unabdingbar, das Finanzsystem zu vereinfachen und mit strukturierten Produkten besonnener und sparsamer umzugehen. Des Weiteren seien auch aufgeblähte Kosten- und Gebührenstrukturen nicht mehr tragbar und Finanzinstitute müssten in diesem Zusammenhang fundamental umdenken: Bei , Investitionsrenditen im einstellingen Prozentbereich seien z. B. Fondmanagement Provisionen im Ausmaß von drei bis vier Prozent nicht mehr gerechtfertigt. Investitionslösungen werden laut Gerd auch weiterhin gefragt sein, wobei er reine Beratungsunternehmen klar im Wettbewerbsnachteil sieht gegenüber Finanzintermediären, die Transaktions- und Strategieberatung sowie die gleichzeitige Finanzierung eines Projekts als Zusatzleistung anbieten. Universalbanken wie die seine dürften demnach also ihr Geschäftsmodell in den kommenden Jahren bestätigt sehen. Eine Frage die laut Gerd aber noch nach einer Antwort sucht ist, wie groß denn bei der Bank der Zukunft „zu groß“ ist.
Und Gerd selbst, werfe ich ein, wo wird er in den nächsten Jahren sein? Personalberater versuchen schon seit Langem, ihn für die Konkurrenz oder andere hochkarätige Arbeitgeber zu gewinnen und locken mit interessanten Arbeitsangeboten und Gehaltsversprechen. Auch innerhalb der HSBC Gruppe wäre ein Jobwechsel nicht unvorstellbar, die Position als Leiter eines Geschäftsbereiches in einem größeren Land oder die Leitung eines, für HSBC, mittelgroßen Landes wäre der nächste logische Schritt. Gerd jedoch blickt der eigenen Zukunft gelassen entgegen. Er würde gerne noch eine Zeit lang die europäische Strategieabteilung bei HSBC leiten, erachte aber auch einen internen Jobwechsel als interessant und meint im selben Atemzug er möchte es auch nicht ausschließen in einem ganz anderen Bereich tätig zu werden. An Spannung scheint es ihm also weder in seiner derzeitigen Position noch bei seinen eigenen Karrieremöglichkeiten zu mangeln. Das aber liegt noch in weiter Ferne – das nächste wichtige Ereignis steht für Gerd im Dezember an; ein runder Geburtstag, den es gilt gebührend zu feiern.